OFD Münster, 28.4.2011, S 7175 - 70 - St 44 - 32

Kann eine volljährige Person auf Grund einer psychischen Krankheit, einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht (Teil des Amtsgerichtes) für sie auf ihren Antrag oder von Amts wegen einen Betreuer. Hat die betroffene Person keine Auswahl getroffen und sind keine ehrenamtlichen Betreuer vorhanden, wird ein Berufs- oder Vereinsbetreuer bestellt.

Die umsatzsteuerliche Behandlung dieser Betreuungsleistungen ist bislang in dem hierzu ergangenen BMF-Schreiben vom 21.9.2000, BStBl 2000 I S. 1251 geregelt.

Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen kommt für diese Leistungen die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG in Betracht, wenn sie durch gemeinnützige Vereine erbracht werden. Dies setzt jedoch zwingend voraus, dass die Entgelte für die entsprechenden Leistungen hinter den durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten zurückbleiben (sog. Entgeltbeschränkung/Preisabstandsgebot, § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c UStG).

Mit Wirkung vom 1.7.2005 wurden die Vergütungsregelungen für Betreuungsleistungen neu gefasst. Hierdurch wurde eine Gleichstellung von Vereins- und Berufsbetreuern erreicht, so dass das Preisabstandsgebot oftmals nicht mehr erfüllt ist.

Mit Urteil vom 17.2.2009, XI R 67/06, hat der BFH entschieden, dass das in § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c UStG geregelte Preisabstandsgebot insofern gemeinschaftswidrig ist, als es auch für behördlich genehmigte Preise i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG gilt. Ein zu einem anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege gehörender und gemeinnützigen Zwecken dienender Verein könne sich für die Inanspruchnahme einer Steuerbefreiung für Betreuungsleistungen unmittelbar auf die günstigere Regelung in Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

Unabhängig von der noch ausstehenden amtlichen Veröffentlichung des Urteils kann die Beurteilung des BFH zum Preisabstandsgebot nach § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c UStG bei Betreuungsleistungen von sog. Vereinsbetreuern jedoch in allen noch offenen Fällen angewandt werden, in denen sich Unternehmer auf diese Rechtsprechung bzw. auf die vom BFH zu Grunde gelegte EG-rechtliche Beurteilung berufen. Dies gilt ebenso für die zu dieser Rechtsfrage anhängigen Rechtsbehelfe und für entsprechende Änderungsanträge betroffener Unternehmer.

Unter Berücksichtigung des vorgenannten BFH-Urteils sind Betreuungsleistungen von sog. Vereinsbetreuern, die von einem in § 4 Nr. 18 UStG genannten Unternehmer erbracht werden, umsatzsteuerrechtlich wie folgt zu beurteilen:

1. Leistungserbringung bis 31.12.1998:

Für Betreuungsleistungen von sog. Vereinsbetreuern sowohl gegenüber mittellosen als auch gegenüber nicht mittellosen Personen ist das sog. Preisabstandsgebot nach § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c UStG erfüllt, wenn im Regelfall im Bezirk des jeweils zuständigen Amtsgerichts Berufsbetreuern (anteilige) allgemeine Verwaltungskosten und (anteilige) Versicherungskosten nach § 1908 I Abs. 1 i.V.m. §§ 1835, 669, 670 BGB erstattet werden und eine Erstattung dieser Kosten bei Vereinsbetreuern nicht möglich ist.

2. Leistungserbringung im Zeitraum vom 1.1.1999 – 30.6.2005:

a) Betreuungsvereine können sich auf die Anwendung des BFH-Urteils berufen, soweit die Betreuungsleistungen gegenüber mittellosen Personen erbracht wurden. Die Vergütung mittelloser Personen bestimmte sich nach § 1836a BGB nach den Ausführungen des Berufsvormündervergütungsgesetzes (BVormG), welches in § 1 Abs. 1 feste Stundensätze vorsah.

b) Wurden die Betreuungsleistungen gegenüber nicht mittellosen Personen erbracht, bestimmte sich die Höhe der Vergütung gem. § 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB nach den Fachkenntnissen des Vormunds sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der vormundschaftlichen Geschäfte. Das Tatbestandsmerkmal der Entgeltbeschränkung des § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c UStG ist in diesen Fällen im Einzelfall zu prüfen. Es erscheint allerdings vor allem unter Berücksichtigung der Aussagen des BGH-Beschlusses vom 5.7.2000, XII ZB 58/97 und der Handhabung in der Praxis durchaus realistisch, dass die Vergütung für die Leistungen der Berufsbetreuer im Einzelfall den Leistungen der Vereinsbetreuer entsprechen können, so dass auch in diesen Fällen eine Anwendung des BFH-Urteils in Betracht kommen kann.

3. Leistungserbringung ab 1.7.2005:

Mit Wirkung zum 1.7.2005 trat das Vormünder- und Betreuungsvergütungsgesetz (VBVG) in Kraft, das Berufsbetreuer und Betreuungsvereine hinsichtlich der Vergütung der von ihnen erbrachten Leistungen gleichstellt. Die Höhe des Stundensatzes sowie des anzusetzenden Zeitaufwands bei der Betreuung durch einen Berufsbetreuer ist in den §§ 4 und 5 VBVG gleichermaßen für die Betreuung mittelloser wie nicht mittelloser Personen geregelt. Diese finden nach § 7 VBVG auch auf die Erbringung von Betreuungsleistungen ...

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