Leitsatz

1. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. erfasst nicht unterschiedslos alle wiederkehrenden oder einmaligen Zahlungen einer Stiftung, die von den beschlussfassenden Stiftungsgremien aus den Erträgen der Stiftung an den Stifter, seine Angehörigen oder deren Abkömmlinge während des Bestehens der Stiftung oder anlässlich ihrer Auflösung ausgekehrt werden (entgegen BMF).

2. Die Auszahlung des Liquidationsendvermögens an den ausschließlich Anfallberechtigten ist nicht – wie von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. vorausgesetzt – mit Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 9 sowie Nrn. 1 und 2, § 22 EStG a.F.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Erbin des X. Dieser hatte vor seinem Tod eine Stiftung gegründet, die nicht von der Körperschaftsteuer befreit war. Nach seinem Tod beschloss der Stiftungsvorstand die Auflösung der Stiftung. Dies erfolgte aufgrund eines Vorschlags der Klägerin, die nicht Mitglied des Stiftungsvorstands war. Das Liquidationsendvermögen wurde im Jahr 2005 an die Klägerin ausgekehrt. Das FA setzte hierfür Schenkungsteuer fest. Zudem legte es der Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. Kapitaleinkünfte in Höhe des Auszahlungsbetrags des Liquidationsvermögens der Stiftung zugrunde. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA nach Anrechnung der Kapitalertragsteuer ab. Das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 3.3.2015, 5 K 3703/11) gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage, ob die Auszahlung des Stiftungsvermögens an die Erbin des Stifters anlässlich der Auflösung der Stiftung als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu qualifizieren sind. Der BFH hat dies verneint. Zwar ist die Stiftung ein von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. erfasstes Sondervermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. Jedoch liegen bei der Auszahlung des Stiftungsvermögens keine Einnahmen aus Leistungen vor, die Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind.

2. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. verweist ausschließlich auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Sinn und Zweck der ­Verweisung ist die Gleichstellung von Stiftungen/Destinatären mit Kapitalgesellschaften/Anteilseignern. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfasst Beteiligungserträge, die von einer bestehenden Körperschaft gewährt werden. Danach führt nur die Verteilung des im Rahmen des Stiftungszwecks erwirtschafteten Überschusses an "hinter einer Stiftung stehende Personen" zu Einkünften aus Kapitalvermögen.

3. Auf § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG wird in § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. hingegen nicht verwiesen. Diese Vorschrift erfasst Auszahlungen aufgrund einer Herabsetzung von Grund- oder Stammkapital oder einer Liquidation. Diese Zahlungen sind dem Grunde nach als Kapitalrückgewähr und nicht als Kapitalertrag zu qualifizieren. Die Einnahmen gehören nicht zu den Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

4. Entgegen der Auffassung des BMF (BMF- Schreiben vom 27.6.2006, IV B 7 – S 2252 – 4/06, BStBl I 2006, 417) erfasst § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. somit nicht unterschiedslos alle wiederkehrenden oder einmaligen Leistungen einer Stiftung, die anlässlich der Auflösung der Stiftung an den Stifter, seine Angehörigen oder deren Abkömmlinge ausgekehrt werden. Die Auszahlung des Liquidationsvermögens an den Erben des Stifters ist keine Leistung, die einer Gewinnausschüttung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gleichsteht, sodass sie nicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. der Einkommensteuer unterliegt. Dies zeigt sich auch darin, dass die Zahlung an den Anfallberechtigten bei Aufhebung der Stiftung nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG als Schenkung unter Lebenden der Schenkungsteuer unterliegt.

5. Hinzuweisen ist darauf, dass der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2007 den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG dahin gehend ergänzt hat, dass die Vorschrift nun auch Auszahlungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfasst. Nach Auffassung des BFH handelt es sich bei dieser Ergänzung nicht um eine Klarstellung des Gesetzes, sondern um eine konstitutiv wirkende Neuregelung, die nicht auf das Streitjahr 2005 zurückwirkt. Inwieweit die Neuregelung zu einer Doppelbesteuerung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer führt, hatte der BFH danach im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.

6. Die Auszahlung des Stiftungsvermögens ist auch nicht nach § 22 Nr. 1 Sätze 1 und 2 Buchst. a EStG steuerpflichtig. Selbst wenn diese an sich subsidiäre Vorschrift zur Anwendung käme, wären deren Voraussetzungen nicht erfüllt. Bei der Auszahlung des Liquidationsvermögens handelt es sich um eine einmalige Zahlung und nicht, wie es der Tatbestand des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG voraussetzt, um wiederkehrende Bezüge.

7. Es liegt auch keine sonstige Leistung i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG vor. Grund für die Auszahlung des Stiftungsvermögens war nicht ein Handeln der Klägerin als Anfallsberechtigter, sondern die Auflösung der Stiftung.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge