Rz. 27

Bewertungswahlrechte, die nach dem Recht des MU zulässig sind, können gem. § 308 Abs. 1 Satz 2 HGB im Konzernabschluss unabhängig von ihrer Ausübung in den Einzelabschlüssen aller einbezogenen Unt neu ausgeübt werden. Unter das Neuausübungsrecht fallen auch jene Wahlrechte, die bereits im Einzelabschluss des MU wahrgenommen wurden.

 

Rz. 28

Denkbar ist z. B., dass im Einzelabschluss ein möglichst steuer- und/oder ausschüttungsoptimales Ergebnis dargestellt werden soll, während im Konzernabschluss, der eine reine Informationsfunktion hat, ein möglichst positives Ergebnis gezeigt werden soll, um z. B. den Zugang zu internationalen Kapitalmärkten vorzubereiten bzw. zu erleichtern. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn Bestandsmehrungen bei fertigen und unfertigen Erzeugnissen im Konzernabschluss an der handelsrechtlichen Obergrenze bewertet werden, während im Einzelabschluss des MU oder eines TU ein Ansatz an der Untergrenze erfolgt.[1]

 

Rz. 29

Unter Bewertungswahlrechten sind grds. die gesetzlichen Wahlrechte in Bezug auf die Bewertungsmethoden zu verstehen (explizite Wahlrechte; Rz 11). Implizite oder faktische Bewertungswahlrechte (Rz 12), die entstehen können, wenn verschiedene Rechengrößen verwendet werden dürfen oder Ermessensspielräume bestehen, dürfen bei Personenidentität insb. aufgrund des Grundsatzes des Willkürverbots grds. nicht neu ausgeübt werden.[2] Bedingen etwa Sachverhalte aus Sicht der Konzernführung eine von der Position der Führung des TU abweichende Beurteilung, kann aufgrund der fehlenden Personenidentität eine sachlich begründete unterschiedliche Einschätzung und damit eine Neuausübung des Ermessensspielraums zulässig sein (Rz 17).[3] Auch eine Neuausübung im Interesse der Vereinheitlichung der Bewertung ist zulässig. Als Grenze fungiert in allen Fällen aber der Grundsatz des Willkürverbots (§ 252 Rz 164).[4]

 

Rz. 30

Davon zu trennen ist die Notwendigkeit zur Anpassung der Bewertung aufgrund von werterhellenden Informationen. Aufgrund des zeitlichen Versatzes zwischen der Aufstellung/Feststellung des Einzelabschlusses und der Aufstellung/Feststellung des Konzernabschlusses können wertaufhellende Informationen bekannt werden, die eine bessere Einschätzung der Verhältnisse zum Stichtag ermöglichen. Diese wertaufhellenden Tatsachen sind bei den Bewertungen im Konzernabschluss bis zum Tag der Aufstellung/Feststellung zu berücksichtigen (§ 252 Rz 71).

 

Rz. 31

Die Neuausübung von Bewertungswahlrechten unterliegt neben dem Grundsatz des Willkürverbots dem Gebot der Einheitlichkeit der Bewertung und damit der sachlichen Stetigkeit (§ 308 Abs. 1 Satz 1 HGB; Rz 17 ff.) und dem Grundsatz der (zeitlichen) Stetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 298 Abs. 1 HGB).[5]

 

Rz. 32

Aus der Anwendung des Grundsatzes der (zeitlichen) Stetigkeit auf die Vorschriften des § 308 Abs. 1 Satz 2 HGB ergibt sich ein Verbot der Neuausübung der Bewertungswahlrechte zu jedem Stichtag. Die daraus resultierende Bindung an die Entscheidungen der Vj dient der Vergleichbarkeit der Konzernabschlüsse im Zeitverlauf. Die Pflicht zur stetigen Bewertung erstreckt sich auch auf im Laufe des Gj neu zugegangene VG und Schulden, sofern art- oder funktionsgleiche Posten bereits im Vj vorhanden waren.[6]

 

Rz. 33

Von dem Grundsatz der Stetigkeit darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden (zu den in diesen Fällen grds. zu beachtenden Gesichtspunkten, wie der sachlichen Begründbarkeit, s. § 252 Rz 150 ff.).

 
Praxis-Beispiel

Als unstrittige begründete Ausnahmefälle kommen als Abweichungen vom Grundsatz der Bewertungsstetigkeit etwa – nicht abschließend – folgende Fälle in Betracht (§ 252 Rz 152):

  • Änderungen bei den Bilanzierungsvorschriften bzw. Gesetzen,
  • Änderungen in der Rechtsprechung,
  • Anpassung an die Ergebnisse einer steuerlichen Außenprüfung,
  • Änderungen bei der Konzernzugehörigkeit,
  • Einleitung von Sanierungsmaßnahmen,
  • Aufgabe der Unternehmensfortführung,
  • wesentliche Veränderungen der Gesellschafterstruktur,
  • Wechsel des Managements unter Wechsel auch der Unternehmensstrategie,
  • wesentlich veränderte Einschätzung der Unternehmensentwicklung,
  • Inanspruchnahme oder Wegfall der Anwendung von Bewertungsvereinfachungsverfahren,
  • (ggf. wesentliche) technische Änderungen/Neuerungen,
  • (ggf. wesentliche) Änderungen der Finanz- und Kapitalstruktur,
  • (ggf. wesentliche) Veränderungen des Beschäftigungsgrades,
  • (ggf. wesentliche) Produktions- und Sortimentsumstellungen,
  • (ggf. wesentliche) Absatzmarktverschlechterungen,
  • Änderungen im System der Kostenrechnung.

Eine Abweichung erfordert gem. § 313 HGB Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 HGB dabei grds. die gesonderte Darstellung des Einflusses der Durchbrechung auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns im Konzernanhang (§ 313 Rz 62 ff.).

[1] So auch Busse von Colbe/Fehrenbacher, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 308 HGB Rz 16.
[2] So für Ermessensentscheidungen i. R. d. Bilanzierung/des Ansatzes für § 300 HGB auch Störk/Kliem/Walkenbach, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 300 HGB Rz 51; Hoffmann/Lüd...

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