Rz. 17

Die gesetzliche Formulierung, wonach sich das Einsichtsrecht "gegen denjenigen (richtet), der die Prüfungsberichte in seinem Besitz hat", lässt bewusst mehrere Möglichkeiten offen. Der Anspruch könnte sich demgemäß richten gegen

  • den Insolvenzverwalter,
  • sonstige Personen, die den Prüfungsbericht für die Ges. verwahren,
  • den Abschlussprüfer,
  • andere Personen, die Prüfungsberichte der Ges. in ihrem Besitz haben.
 

Rz. 18

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhält der Insolvenzverwalter die Verfügungszuständigkeit für das Massevermögen (§ 80 Abs. 1 InsO). Zum Massevermögen rechnen auch die Prüfungsberichte (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Ein vorläufiger Insolvenzverwalter ist nicht zur Einsichtsgewährung befugt, da die Voraussetzung von Abs. 1 Satz 1 (Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder Ablehnung des Antrags mangels Masse) nicht vorliegt. Entsprechendes muss für den Sachwalter im insolvenzrechtlichen Schutzschirmverfahren (§ 270 Abs. 1 InsO) gelten.

 

Rz. 19

Neben dem Insolvenzverwalter können aber auch sonstige Personen, die den Prüfungsbericht für die Ges. verwahren, in Betracht kommen. Dies können die gesetzlichen Vertreter, im Fall der Liquidation die Liquidatoren (§§ 146 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB, § 66 Abs. 1 GmbHG) bzw. bei Abwicklung die Abwickler (§§ 265, 278 Abs. 3 AktG) sowie nach Beendigung der Liquidation bzw. Abwicklung ehemalige Gesellschafter, aber auch Dritte, denen die Unterlagen zur Erfüllung der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflichten übergeben worden sind, sein.

Der Abschlussprüfer verfügt zwar regelmäßig über Belegexemplare der von ihm erstatteten Prüfungsberichte. Er verwahrt diese allerdings nicht für die geprüfte Ges., sondern aufgrund eigener gesetzlicher und berufsrechtlicher Aufbewahrungspflichten. Außerdem verfügt er auch nicht über das Widerspruchsrecht gem. Abs. 3 Satz 1 für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, sodass dem Abschlussprüfer kein Recht zur Einsichtsgewährung zusteht.[1] Es ist aber wohl nicht zu beanstanden, wenn der Abschlussprüfer in Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter die Einsichtnahme gem. Abs. 1 Satz 1 gewährt. Hierbei sollte aber vom Abschlussprüfer zuvor die Ausübung des Widerspruchsrechts nach Abs. 3 Satz 1 mit dem Insolvenzverwalter erörtert werden (Rz 39 ff.).

 

Rz. 20

Andere Personen, die den Prüfungsbericht in ihrem Besitz haben, sind bspw. ehemalige Gesellschafter oder Organe (Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsrat). Da diese über kein Widerspruchsrecht i. S. v. Abs. 3 Satz 1 verfügen, haben sie kein Recht zur Einsichtsgewährung. Darüber hinaus gibt es weitere Personen, die im Besitz des Prüfungsberichts sind, z. B. das Finanzamt, DPR, WPK, APAS sowie insb. Fremdkapitalgeber (Kreditinstitute). Auch diese Personen dürfen keine Einsichtnahme gewähren, da sie die Prüfungsberichte nur für eigene, eng begrenzte Zwecke erhalten haben und ihre Aufgabenstellung sowie ihre Verschwiegenheitspflicht eine darüber hinaus gehende Verwendung nicht zulassen.[2] Zwar wird in der Gesetzesbegründung auf "sonstige Fälle" Bezug genommen, ohne diese aber näher zu spezifizieren.[3] Eine allzu extensive Auslegung würde gegen die Zielsetzung der Vorschrift und insb. gegen das Widerspruchsrecht aus Abs. 3 Satz 1 verstoßen.[4]

 

Rz. 21

Die Vorschrift enthält keine Regelungen über die Art und den Ort der Geltendmachung der Einsichtsgewährung. Daher kommen die für die jeweiligen Rechtsformen gültigen Regelungen, wie, in welcher Form und wo die Einsicht zu gewähren ist, zur Anwendung (vgl. §§ 118, 166 HGB, §§ 52 Abs. 2, 175 Abs. 2, 179a Abs. 2, 293f, 319 Abs. 3 AktG, §§ 51a, 51b GmbHG, §§ 42, 47, 49 Abs. 2, 63 UmwG).[5] Das Einsichtnahmerecht wird an dem Ort ausgeübt, an dem die Prüfungsberichte aufbewahrt werden. In Fällen eines laufenden Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter die Prüfungsberichte im Besitz, sodass dieser den Ort der Einsichtnahme bestimmt. Soweit das Insolvenzverfahren abgeschlossen oder mangels Masse gar nicht eröffnet wurde, wird das Einsichtnahmerecht dort ausgeübt, wo sich die Prüfungsberichte befinden. Die Aufbewahrungspflicht richtet sich auch in diesen Fällen nach rechtsformspezifischen Vorschriften (vgl. §§ 157 Abs. 2, 166 Abs. 2 HGB, §§ 273 Abs. 2, 278 Abs. 3 AktG, § 74 Abs. 2 GmbHG).

 

Rz. 22

Der Gesetzgeber hat ein Einsichtnahmerecht geschaffen. I. d. R. wird die Einsichtnahme in ein Original des Prüfungsberichts in Betracht kommen; die Vorlage einer Kopie des Prüfungsberichts wird aber auch möglich sein. Der Einsichtnehmende hat keinen Anspruch auf die Anfertigung und Mitnahme von Kopien, da dies die Vertraulichkeit in hohem Maße gefährden würde.[6]

[1] Gl. A. Justenhoven/Deicke, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 321a HGB Rz 12; a. A.: Forster/Gelhausen/Möller, WPg 2007, S. 195.
[2] Vgl. Forster/Gelhausen/Möller, WPg 2007, S. 195.
[3] Vgl. BT-Drs. 15/3419 v. 24.6.2004 S. 43.
[4] Vgl. Pfitzer/Oser/Orth, DB 2004, S. 2593.
[5] Vgl. Forster/Gelhausen/Möller, WPg 2007, S. 198.
[6] Vgl. Pfitzer/Oser/Orth, DB 2004, S. 2593.

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