LSt Niedersachsen, 05.10.2023, S 2137 - St 224a/St 221 - 2721/2023

 

I. Entstehen von Überschusserlösen

Die Gaspreise in Europa haben sich infolge der Gasknappheit zuletzt vervielfacht. Die Preissteigerungen bei Gas begründen auch gestiegene Stromkosten. Dies resultiert aus dem europäischen Strommarktdesign. Nach diesem Design bestimmt sich für alle Stromerzeugungsarten der Preis nach dem für die aktuelle Stromerzeugung benötigten Kraftwerk mit den höchsten Grenzkosten („merit-order“); dies sind zu den meisten Zeiten am Markt Gaskraftwerke, deren Grenzkosten von den stark gestiegenen Gaspreisen abhängen. Für die meisten anderen Stromerzeuger haben sich hingegen die Stromgestehungskosten nicht erhöht. Deren kurzfristige Produktionskosten liegen daher weit unterhalb des sich ergebenden Marktpreises. Viele Stromerzeuger erzielen dadurch erhebliche Mehreinnahmen, die zum ganz überwiegenden Teil unerwartet waren („Überschusserlöse“).[1]

Diese Überschusserlöse werden in angemessenem Umfang abgeschöpft und über einen Wälzungsmechanismus zur Entlastung von Haushalten und Unternehmen mit sehr hohen Strompreisen verwendet (Strompreisbremse).

 

II. Abschöpfung von Überschusserlösen

Betreiber von Stromerzeugungsanlagen müssen im Rahmen einer Selbstveranlagung an den Netzbetreiber, an dessen Netz ihre Stromerzeugungsanlage unmittelbar angeschlossen ist, 90 Prozent der im jeweiligen Abrechnungszeitraum mit der Stromerzeugungsanlage erwirtschafteten Überschusserlöse (Abschöpfungsbetrag) zahlen.[2]

Erfasst wird die Stromerzeugung aus Braunkohle, Kernenergie, Abfall, Mineralöl und erneuerbaren Energien. Ausgenommen sind Speicher, Steinkohle, Erdgas, Biomethan und weitere Gase. Kleine Anlagen bis zu einer installierten Leistung von 1 Megawatt (MW) sind von der Regelung ebenfalls ausgenommen.[3]

Die Überschusserlöse werden auf Grundlage von Spotmarktpreisen bzw. energieträgerspezifischen Monatsmarktwerten abzüglich Referenzkosten und unter Heranziehung von Sicherheitsabschlägen fiktiv ermittelt. Bei der Bestimmung der Überschusserlöse können in Ausübung einmaliger Wahlrechte Absicherungsgeschäfte und anlagenspezifische Vermarktungsverträge berücksichtigt werden.[4]

Abrechnungszeitraum ist der Zeitraum vom 1. Dezember 2022 bis zum 31. März 2023 und vom 1. April 2023 bis zum 30. Juni 2023 .[5] Die Maßnahme war zunächst nur bis zum 30. Juni 2023 angelegt und wurde darüber hinaus nicht verlängert.[6] Die Zahlung des Abschöpfungsbetrags muss bis zum 15. Kalendertag des fünften Monats erfolgen, der auf den jeweiligen Abrechnungszeitraum folgt.[7]

 

III. Ausweis in der Bilanz der Stromerzeugungsanlage

Die rechtliche Entstehung bzw. die wirtschaftliche Verursachung der Verpflichtung dürfte zum Bilanzstichtag im Regelfall gewiss sein. Ob eine Verbindlichkeit oder eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten auszuweisen ist, richtet sich danach, ob die Höhe des Abschöpfungsbetrags noch ungewiss ist.[8]

 

a) Passivierung einer (gewissen) Verbindlichkeit

Ist die Abschöpfung dem Grunde nach und auch hinsichtlich ihrer Höhe gewiss, erfolgt der Ausweis als Verbindlichkeit gegenüber dem Netzbetreiber. Dies sollte regelmäßig beim Zusammenfallen von Abschlussstichtag und Ende eines Abrechnungszeitraums (z. B. bei abweichendem Wirtschaftsjahr) oder aber bei Nichtausübung des Wahlrechts zum Ansatz von Absicherungsgeschäften (Termingeschäfte der Anlagenbetreiber zur Absicherung ihrer Erlöse) der Fall sein.

 

b) Bildung einer Rückstellung für die Abschöpfung von Überschusserlösen

Sofern eine Ungewissheit hinsichtlich der Höhe des Abschöpfungsbetrags besteht, ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gem. § 249 HGB anzusetzen. Ungewissheit besteht regelmäßig, wenn das Wahlrecht zur Berücksichtigung von Absicherungsgeschäften nach § 17 StromPBG ausgeübt wird und Absicherungsgeschäfte im noch aktuell laufenden Abrechnungszeitraum zu erfüllen sind.

Die Rückstellung ist auch in der steuerlichen Gewinnermittlung zu bilden. Es handelt sich insbesondere um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die am Bilanzstichtag hinreichend konkretisiert ist.[9] Ein inhaltlich bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmbaren Zeitraums ist durch Gesetz (hier: Strompreisbremsegesetz) vorgeschrieben. An die Verletzung der Verpflichtung sind Sanktionen geknüpft. Die Bundesnetzagentur übernimmt die Aufsicht[10] , führt anlassbezogene und stichprobenartige Überprüfungen der Eigenveranlagungen durch und setzt sie bei Bedarf mit Bußgeldern durch. Erfüllt der Anlagenbetreiber seine Mitteilungs- oder Zahlungspflicht nicht im Sinne des Gesetzes, kann die Bundesnetzagentur eine angemessene Frist zur Erfüllung dieser Pflichten setzen und in einem weiteren Schritt den Überschusserlös festsetzen.[11] Verstößt der Anlagenbetreiber vorsätzlich oder fahrlässig gegen Mitteilungs- und Zahlungspflichten, können Ordnungswidrigkeits- oder strafrechtliche Verfahren eingeleitet werden.[12]

Praxis-Beispiel

Für den Abschöpfungsbetrag des ersten Abrechnungszeitraums vom 1. Dezember 2022 bis zum 30...

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