Leitsatz

Eine Anfechtungsklage ist im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärung auch dann mit Eingang der zweiten Erledigungserklärung oder mit Eintritt der Fiktion des § 138 Abs. 3 FGO endgültig i.S. des § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AO erfolglos, wenn der angefochtene Bescheid später auf Grundlage einer tatsächlichen Verständigung geändert wird.

 

Normenkette

§ 169 Abs. 1 Satz 1, § 237 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 238 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 239 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 AO

 

Sachverhalt

Die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide wurde sowohl im Einspruchs- als auch im nachfolgenden Klageverfahren ausgesetzt. Am 15.12.2009 kam es zu einer tatsächlichen Verständigung über die streitigen Besteuerungsgrundlagen; die Beteiligten gaben gegenüber dem FG Erledigungserklärungen ab. Mit Beschluss vom 28.12.2009 hob das FG die Kosten des Verfahrens gegeneinander auf.

Änderungsbescheide ergingen unter dem 23.12.2010. Die dagegen gerichteten Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 16.4.2013 als unzulässig verworfen. Unter dem 15.7.2013 setzte das FA Aussetzungszinsen fest. Die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg (Niedersächsisches FG, ­Urteil vom 28.11.2014, 7 K 168/13, Haufe-Index 8905773).

 

Entscheidung

Der BFH hob das angefochtene Urteil und den Zinsbescheid auf.

 

Hinweis

1. Der Rechtsstreit betrifft die Rechtmäßigkeit eines Zinsbescheids (Aussetzungszinsen) und dabei die Frage, ob der Bescheid vom FA verspätet erlassen wurde.

2. Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid (u.a.) endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO beträgt die Frist zur Festsetzung von Zinsen ein Jahr. Sie beginnt in den Fällen des § 237 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AO).

Eine Anfechtungsklage ist aber auch dann endgültig erfolglos, wenn die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklären. Dies gilt auch, sofern der angefochtene Bescheid im Anschluss an eine übereinstimmende Erledigungserklärung auf Grundlage einer tatsächlichen Verständigung (noch) geändert wird; der Zeitpunkt, in dem die geänderte Steuerfestsetzung bestandskräftig geworden ist, spielt für die hier maßgebende Frage (endgültig erfolgloser Rechtsbehelf) keine ­Rolle.

Dies beruht darauf, dass die Erledigungserklärungen "konstitutiv" sind, d.h. sie führen (bei Eingang der zweiten [übereinstimmenden] Erklärung) unmittelbar zur Beendigung des Rechtsstreits. Daher wird die angefochtene Steuerfestsetzung im Zeitpunkt der Abgabe der zweiten Erledigungserklärung (oder dem Eintritt der Fiktion des § 138 Abs. 3 FGO) unanfechtbar.

3. Daraus folgt, dass zu diesem Zeitpunkt die Festsetzungsfrist für die Zinsen anläuft. Es kommt für das um Fristwahrung bemühte FA nicht in Betracht, so lange zuzuwarten, bis über die Höhe der Steuerschuld bestandskräftig (endgültig) entschieden ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.6.2017 – I R 38/15

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