Zwangsläufigkeit nimmt das Gesetz[1] an, wenn sich der Steuerpflichtige den Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Ist der Sachverhalt im Ausland angesiedelt, wird darüber gestritten, ob bzw. in welchem Umfang oder bei welchen Fallgruppen die Zwangsläufigkeit allein nach inländischen Maßstäben zu beurteilen ist.[2]

Umstritten ist ebenfalls, in welchen Fällen die Zwangsläufigkeit zu verneinen ist, weil der Steuerpflichtige eine Ursache (meist eine von mehreren) für die späteren Aufwendungen selbst gesetzt hat (Frage der Kausalität). Dabei legt die Rechtsprechung für verschiedene Arten von Aufwendungen unterschiedliche Maßstäbe an:

  • Bei Krankheitskosten wird grundsätzlich nicht geprüft, ob der Steuerpflichtige seine Beschwerden durch fehlerhaftes Verhalten selbst verursacht hat.
  • Bei anderen Aufwendungen wird die Zwangsläufigkeit bei vorsätzlichem und grob fahrlässigem Verhalten des Steuerpflichtigen verneint. Deshalb können z. B. Geldstrafen und Geldbußen für strafbares Verhalten nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Leichte Fahrlässigkeit, die auch gewissenhaften Menschen unterläuft, schließt dagegen den Abzug nicht aus.[3]

Verzichtet der Steuerpflichtige auf bestehende Ersatzansprüche z. B. gegen die Krankenkasse oder auf eine Beihilfe, schließt das die Zwangsläufigkeit grundsätzlich aus, es sei denn, die Geltendmachung ist unzumutbar.[4]Unbefriedigend erscheint diese Rechtslage, wenn der Steuerpflichtige auf seine Ansprüche gegen die Krankenkasse wegen des Schadensfreiheitsrabatts verzichtet und deshalb die als Sonderausgaben angesetzten Beiträge gekürzt werden.

Der Abschluss einer Versicherung wird im Regelfall nur bei Schäden an eignen Vermögensgegenständen verlangt.

Rechtliche Gründe für zwangsläufige Aufwendungen können aus Gesetz, Verwaltungsakten oder Verträgen erwachsen. Hat der Steuerpflichtige die vertragliche Verpflichtung selbst begründet, ist die Zwangsläufigkeit dieses Verhaltens zu prüfen.[5] Tatsächlich Gründe können auf Unwettern, Krieg, unverschuldeten Unfällen und Ähnlichem beruhen.

Die Frage, ob bzw. inwieweit Aufwendungen von Eltern für die Strafverteidigung ihres volljährigen Kindes als Prozesskosten abziehbar sind, ist derzeit beim BFH anhängig. Das Hessische Finanzgericht ließ auf Grundlage des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG einen Abzug nicht mehr zu.[6]

Bei der Behandlung von Prozesskosten war der BFH zu seiner früheren, strengen Auffassung zurückgekehrt.[7] Im Ergebnis hat er damit auch die extrem strenge gesetzliche Regelung[8], die für den Abzug den Verlust der Existenzgrundlage oder die Gefährdung lebensnotwendiger Bedürfnisse verlangt, als verfassungsgemäß bestätigt.

Es bleibt abzuwarten, ob der BFH in dem Verfahren VI R 29/20 seine bisherige strenge Auffassung beibehält oder ob er die Rechtsprechung ändert.

Für die Frage der Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen ist nicht auf das subjektive Gefühl des jeweiligen Steuerpflichtigen abzustellen, sondern auf einen objektiven Maßstab (den in Grenzfällen erst die Gerichte feststellen). Dabei werden eher strenge Maßstäbe angelegt. Die allgemeine Pflicht, in Not geratenen Mitbürgern Hilfe zu leisten, begründet deshalb keine Zwangsläufigkeit.

Die Unterstützung anderer Personen wegen einer akuten Notlage kann im Regelfall nur bei nahen Angehörigen nach § 15 AO als zwangsläufig angesehen werden[9], bei entfernteren Angehörigen, auch Geschwistern, oder familienfremden Personen nur bei Vorliegen besonderer Umstände.

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