Leitsatz

1. Hat die Verwaltung in Ausfüllung des ihr zustehenden Ermessensspielraums Richtlinien erlassen, so haben die Gerichte grundsätzlich nur zu prüfen, ob sich die Behörden an die Richtlinien gehalten haben und ob die Richtlinien selbst einer sachgerechten Ermessensausübung entsprechen.

2. Dabei ist für die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie das FG eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das FG darf daher Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf prüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist.

 

Normenkette

§ 102 FGO, § 163 AO, § 15a, § 24 UStG

 

Sachverhalt

Der Kläger, Landwirt mit Besteuerung nach Durchschnittsätzen, betrieb zusätzlich in GbR mit seiner Ehefrau ein landwirtschaftliches Lohnunternehmen (Regelbesteuerung). Er erwarb den Anteil seiner Ehefrau und nutzte das Anlagevermögen der GbR (Vorsteuerabzug) in seinem landwirtschaftlichen Betrieb weiter. Das FA berichtigte deshalb die Vorsteuer nach § 15a UStG. Die Klage hatte Erfolg, weil das FG die Übergangsregelung frei interpretierte.

 

Entscheidung

Der BFH gab dem FA Recht. Das FG hatte seine Prüfungskompetenz überschritten. Konkret bedeutete dies, die Übergangsregelung war nur auf solche Sachverhalte anzuwenden, in denen (lediglich) ein Übergang von der Regelbesteuerung zur Durchschnittsatzbesteuerung nach § 24 UStG oder von der Durchschnittsatzbesteuerung nach § 24 UStG zur Regelbesteuerung vorlag. Ein solcher Sachverhalt (nur Wechsel der Besteuerungsform) liegt aber nicht vor, wenn sich ein Landwirt entschließt, das Anlagevermögen des regelbesteuerten Unternehmensteils "landwirtschaftliches Lohnunternehmen" in seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu überführen und dort zu nutzen.

 

Hinweis

Es geht um die Folgen des "Mähdrescher-Urteils" (BFH, Urteil vom 16.11.1993, V R 79/91, BStBl II 1994, 339): Begrenzung des Vorsteuerabzugs aus Erwerb eines Mähdreschers bei gleichzeitiger Verwendung in Unternehmensteilen mit Regel- und Durchschnittsbesteuerung auf den im regelversteuerten Teil beanspruchten Umfang und die Übergangsregelung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben in BStBl I 1995, 831. Das FA hatte die Auffassung vertreten, der konkrete Sachverhalt falle nicht unter die Übergangsregelung; das FG hatte die Übergangsregelung anders ausgelegt.

Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO – wie z.B. auch Übergangsregelungen – sind Ermessensentscheidungen. Bei Ermessensentscheidungen dürfen Gerichte nach § 102 FGO nur prüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Hat die Verwaltung in Ausfüllung ihres Ermessensspielraums Richtlinien erlassen, dürfen die Gerichte grundsätzlich nur prüfen,

  • ob die Richtlinien selbst einer sachgerechten Ermessensausübung entsprechen und
  • ob sich die Behörden an die Richtlinien gehalten haben.

Unmaßgeblich ist deshalb, wie das FG eine solche Verwaltungsanweisung selbst versteht. Das FG darf nur prüfen, ob deren Auslegung durch die Behörde möglich ist, m.a.W. nicht gegen Denkgesetze verstößt und den Ermessensrahmen nicht sprengt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.11.2005, V R 37/04

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