Rz. 49

Wie schon zu den Rechnungslegungspflichten ausgeführt[1] richtet sich die Durchführung der handelsrechtlichen Rechnungslegung der ausländischen Tochtergesellschaft – als Tochterpersonen- oder als Tochterkapitalgesellschaft – nach dem Gesellschafts- bzw. Handelsrecht des ausländischen Sitz- bzw. Gründungsstaates, da sie – sofern sie keine deutsche Niederlassung betreibt – keinem deutschen Gesellschaftsstatut unterliegt.[2]

 

Rz. 50

Gemeinhin sieht das ausländische Handelsrecht die Erstellung eines Jahresabschlusses vor. Dieser umfasst regelmäßig mindestens eine Bilanz sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung; bei (Tochter-)Kapitalgeschaften wird der Jahresabschluss i. d. R. um einen Anhang erweitert, teilweise wird er um einen Lagebericht ergänzt. Zudem sehen die Gesetze regelmäßig die Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses vor. Zur konkreten Beurteilung der einzelnen Rechnungslegungspflichten sind die jeweiligen nationalen Handelsgesetze zugrunde zu legen; Süß/Wachter geben einen 45 Länder umfassenden Überblick über die Rechnungslegung einer ausländischen "GmbH".[3]

 

Rz. 51

Für Tochter(kapital)gesellschaften, die in einem der EU-Mitgliedstaaten oder der übrigen EWR-Staaten (EFTA-Staaten ohne Schweiz: Island, Liechtenstein oder Norwegen) gegründet wurden bzw. ihren Sitz haben, sind die in der EU-Bilanzrichtlinie,[4] deren EWR-Ergänzung[5] bzw. die in deren nationalen Umsetzungen kodifizierten Rechnungslegungsvorschriften zu beachten. Diese Richtlinie "über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen" fasst die bisher getrennten Richtlinien zur Rechnungslegung für den Einzel- und Konzernabschluss (4. und 7. EG-Richtlinie) zusammen; sie hat zum Ziel, die Rechnungslegung und Finanzberichterstattung in der EU/EWR weiter zu harmonisieren.[6] Dabei soll der besonderen Bedeutung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) durch eine Verringerung des Verwaltungsaufwands Rechnung getragen werden, indem u. a. die Anhangsangaben für kleine Gesellschaften reduziert und die Schwellenwerte für die entsprechenden Größenklassen erhöht werden.[7]

 

Rz. 52

Die Richtlinie war bis zum 20.7.2015 in nationales Recht umzusetzen und erstmals auf Abschlüsse für die Geschäftsjahre anzuwenden, die 2016 beginnen.[8] Alle 27 EU-Mitgliedstaaten haben die Umsetzung als vollzogen ausgewiesen;[9] die entsprechende Umsetzung in Island, Liechtenstein und Norwegen ist Mitte 2021 angezeigt.[10]

 

Rz. 53

Damit kann die handelsrechtliche Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften in den Mitgliedstaaten des EWR, deren Rechtsformen fast ausschließlich als Auslandskapitalgesellschaft in Betracht kommen,[11] als weitgehend harmonisiert insbesondere hinsichtlich folgender Bereiche angesehen werden:

  • Relevante Rechtsformen (Art. 1 RL 2013/34/EU): In Art. 1 RL 2013/34/EU i. V. m. Anhang I und II werden diejenigen nationalen Rechtsformen aller EWR-Staaten beschrieben, auf die die Richtlinie anzuwenden ist. Es handelt sich dabei um die Rechtsformen der Kapitalgesellschaft und der haftungsbeschränkten Personenhandelsgeschaft; dies entspricht aus deutscher Sicht der GmbH, der AG und der haftungsbeschränkten OHG und KG (z. B. GmbH & Co. KG).
  • Größenklassen (Art. 3 RL 2013/34/EU): Es werden Kleinst-, kleine, mittlere und große Unternehmen unterschieden.
  • Jahresabschluss (Art. 4 RL 2013/34/EU):

    • Umfasst zumindest Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang;
    • hat ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln;
    • ist grundsätzlich zu publizieren.
  • Rechnungslegungsgrundsätze (Art. 6, 7 und 8 RL 2013/34/EU): Going-concern, Stetigkeit, Vorsicht, Periodenabgrenzung, Bilanzidentität, Einzelbewertung, Verrechnungsverbot, Substance-over-form, Anschaffungs-/Herstellungskostenprinzip vs. Neubewertung, Wesentlichkeit.
  • Bilanz (Art. 9, 10, 11, 12 und 14 RL 2013/34/EU i. V. m. Anhang III bis IV)

    • Bilanzgliederung horizontal oder vertikal;
    • konkrete Ansatz-, Bewertungs- und Ausweisvorschriften;
    • verkürzte Bilanz für kleine und mittlere Unternehmen.
  • Gewinn- und Verlustrechnung (Art. 9 und 13 RL 2013/34/EU i. V. m. Anhang V und VI):

    • Gesamtkosten- und Umsatzkostenverfahren;
    • verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung für kleine und mittlere Unternehmen.
  • Anhang (Art. 15 bis 18 RL 2013/34/EU): Mindestinhalt in Abhängigkeit von der Größenklasse und öffentlichem Interesse.
  • Lagebericht (Art. 19, 19a und 20 RL 2013/34/EU):

    • Inhalt Wirtschaftsbericht: Darstellung und Analyse des Geschäftsverlaufs, Geschäftsergebnisses und der Lage des Unternehmens sowie Beschreibung der wesentlichen Risiken und Ungewissheiten; Analyse mithilfe finanzieller und, sofern angebracht, nichtfinanzieller Leistungsindikatoren;
    • Prognosebericht, FuE-Bericht, Hinweis zum Bestand eigener Anteile, Zweigniederlassungsbericht, Berichterstattung über Finanzinstrumente;
    • Befreiungsoption für kleine und Erleichterungen für (kleine und) mittlere Unternehmen;
    • umfassende nichtfinanzielle Erklärung großer Unternehmen...

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