Leitsatz

Ist ein Architekt neben der Planung auch mit der Ausführung der Bauwerke (Bauüberwachung) betraut, kann diese Gesamttätigkeit keinem konkreten Tätigkeitsschwerpunkt zugeordnet werden. In diesem Fall bildet das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen bzw. betrieblichen Betätigung i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG

 

Sachverhalt

Eine selbstständige Architektin machte die Aufwendungen für ihr häusliches Arbeitszimmer in voller Höhe als Betriebsaugaben geltend. Ausweislich ihrer Reisekostenabrechnungen war sie in den Streitjahren 1996 und 1997 an 88 bzw. 133 Tagen im Außendienst tätig gewesen.

Das FA erkannte nur Aufwendungen in Höhe von 2.400 DM an.

Mit der Klage hatte die Architektin zunächst Erfolg. Das FG war der Auffassung, der Mittelpunkt der Tätigkeit habe im Arbeitszimmer gelegen, weil das Honorar nach der HOAI zu 66 % auf die Planung und Auftragsvergabe und nur zu 33 % auf die Bauüberwachung einschließlich Mängelbeseitigung entfalle.

 

Entscheidung

Der BFH gab der Revision des FA statt und verwies das Verfahren an das FG zurück. Für das Berufsbild eines Architekten seien sowohl die Planung als auch die Bauüberwachung prägend. Einen qualitativen Mittelpunkt könne es daher nicht geben, wenn der Architekt auf beiden Gebieten tätig sei. Das FG müsse noch klären, ob die Klägerin tatsächlich auch die Bauüberwachung übernommen habe.

 

Hinweis

1. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG können die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur noch dann in voller Höhe als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn das Zimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen darstellt. Der BFH hat mittlerweile über zahlreiche Fälle einer einheitlichen betrieblichen und beruflichen Tätigkeit entschieden. Er ist dabei von einem in erster Linie qualitativ geprägten Begriff des Mittelpunkts ausgegangen. Damit hat er der Auffassung der Finanzverwaltung widersprochen, die sich für einen vorwiegend quantitativ geprägten Begriff eingesetzt hatte und bei dauerhafter Außendiensttätigkeit generell einen beruflichen Mittelpunkt im Arbeitszimmer ausschließen wollte (BMF, Schreiben vom 16.6.1998, BStBl I 1998, 863 Tz. 8).

2. Die Ermittlung der qualitativen Anteile einer teils außer Haus und teils im Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeit hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Berufs ab. Keine Rückschlüsse lassen sich nach Meinung des BFH aus dem Anteil der erwirtschafteten Einnahmen ziehen. Denn die Regelung knüpfe an die Tätigkeit selbst und nicht an deren Ertrag an.

Bei einem Architekten fällt damit die auf den ersten Blick einleuchtende Anknüpfung an die Honoraranteile nach der HOAI aus. Es muss festgestellt werden, welche Tätigkeiten der Architekt tatsächlich ausgeübt hat.

3. Ergibt sich bei einer Analyse der konkreten Tätigkeit, dass die im Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeitsanteile überwiegen, ist damit noch nicht gesagt, dass sie auch den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit bilden. Vielmehr ist erforderlich, dass die im Arbeitszimmer ausgeübte Tätigkeit die Gesamttätigkeit qualitativ prägt.

Bei einem Architekten, der sowohl Planung als auch Überwachung der Bauausführung übernimmt, wird man – wie der BFH – eine solche Prägung durch die Planungstätigkeit nicht annehmen können, selbst wenn das anteilige Honorar für die Planung überwiegt. Ein umfassend tätiger Architekt hat deshalb überhaupt keinen Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.6.2003, IV R 9/03

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