Traditionelles Instrumentarium muss erweitert werden

Zunächst liegt es nahe, das betriebliche Rechnungswesen als Informationsinstrument für ein Nachhaltigkeitscontrolling zu nutzen. Die notwendige umweltorientierte Differenzierung, beispielsweise in der Kosten- und Leistungsrechnung, zeigt allerdings lediglich die kosten- und erlösmäßigen Auswirkungen ergriffener (und eventuell geplanter) Umweltschutzmaßnahmen. Entlastungs- und Belastungswirkungen auf die natürliche Umwelt kann diese Art der Rechnungslegung jedoch nicht erfassen. Dazu muss das traditionelle Instrumentarium durch weitergehende Ansätze und Instrumente erweitert werden.[1]

[1] Vgl. Müller (2010), S. 96 – 110.

2.1 Erweiterung der Kosten- und Leistungsrechnung zu einer Umweltkostenrechnung

Externe und soziale Kosten berücksichtigen

Ein Ausbau der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) wird insbesondere dann als notwendig erachtet, wenn im Unternehmen eine aktive (offensive) Umweltpolitik betrieben wird. In den Vordergrund rücken in diesem Fall die externen Kosten (und auch Nutzen) sowie mögliche Maßnahmen, diese zu vermeiden oder auszubauen. Für die Betriebswirtschaftslehre hat dies zur Konsequenz, dass die herkömmlichen Kostenbegriffe erweitert werden müssen, die nur den betrieblichen Produktionsmittelverbrauch widerspiegeln – nicht dagegen den betriebsbedingten Wertverzehr, der bei der Erstellung der Betriebsleistung außerhalb des Unternehmens anfällt.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht stellt jede Umweltbeanspruchung einen "Verzehr an Gütern und Diensten" und damit Kosten dar. Nach einzelwirtschaftlicher (betriebswirtschaftlicher) Auffassung ist derjenige Güter- und Dienstleistungsverzehr als leistungsbedingt und damit den Kosten zugehörig einzustufen, der auf den Prozess der Leistungserstellung zwangsläufig einwirkt, sodass diese ohne ihn nicht zustande kommt. Demzufolge müssten nach betriebswirtschaftlicher Kostenlehre auch diese sozialen Kosten (negative externe Effekte) einbezogen werden.

Solange die externen Effekte mittels Abgaben, Gebühren oder Steuern internalisiert, d. h. zu ausgabewirksamen Kosten für das Unternehmen werden, bereitet dies keine Schwierigkeiten. Werden externe Effekte ohne eine derartige Internalisierung in eine umweltorientierte KLR einbezogen, ergeben sich allerdings ungelöste Abgrenzungs-, Erfassungs- und Bewertungsprobleme.

[1] Vgl. Müller (2011b), S. 424 – 429.

2.2 Flusskostenrechnung als prozessorientierte Umweltkostenrechung

Prozessorientierte Betrachtungs­weise

Eine mehr pragmatische Vorgehensweise versprechen Umweltkostenrechnungssysteme wie die Flusskostenrechnung. Dabei wird eine Ausrichtung an den mengenmäßigen Stoff- und Energieflüssen im Unternehmen – weg von einer rein monetären Bewertung – vorausgesetzt. Der Schwerpunkt liegt auf einer prozessorientierten Betrachtungsweise, mit der versucht wird, Umweltkosten gezielt zu beeinflussen. Damit wird die kurzfristige Orientierung der herkömmlichen KLR verlassen, die im Wesentlichen bereits angefallene Kosten erfasst und verteilt.

Prozessorientiertes Umweltkostenmanagement setzt somit bei der Erfassung der betrieblichen Stoff- und Energieströme an. Wie bei der Ökobilanzierung werden anhand eines Input-Output-Schemas die betrieblichen Stoff- und Energieflüsse (Wertschöpfung im Betrieb) vor allem für Produktionsstandorte bzw. einzelne Betriebsprozesse erfasst.

Flusskosten

Die Flusskostenrechnung berücksichtigt, dass Stoffkosten bei vielen Unternehmen einen großen, wenn nicht gar den größten Teil der Kosten ausmachen. Gesamtwirtschaftlich betrachtet, betragen die Kosten des Materialdurchsatzes (Materialkosten + Folgekosten) im verarbeitenden Gewerbe im Durchschnitt mehr als das Zweifache der Personalkosten. Flusskosten resultieren aus der horizontalen Addition sämtlicher Kosten, die auf dem Weg der innerbetrieblichen Leistungserstellung vom Input zum Output anfallen. Flusskosten sind somit all diejenigen Kosten, die mit den betrieblichen Stoff- und Energieflüssen zusammenhängen. Die Zielsetzung besteht darin, die mit den Stoffströmen verbundenen Kosten verursachungsgerecht zuzuordnen und die kostenverursachenden Einflussfaktoren (Kostentreiber) zu bestimmen. Bei der Flusskostenrechnung wird berücksichtigt, dass nahezu jeder betriebliche Funktionsbereich bei seinen Entscheidungen auf die Materialflüsse einwirkt. In den Flusskosten sind enthalten

  • Ausgaben für die Inputfaktoren Material und Energie, interne Flusskosten genannt;
  • Ausgaben, die für Transport, Lagerung und Bearbeitung von Stoffen entstehen, sowie
  • Outputeinnahmen bzw. -ausgaben, die für den Verkauf der Produkte bzw. die Entsorgung von Abwässern und Abfällen anfallen.

2.2.1 Bilanzieren der Stoff- und Energieflüsse

Zunächst geht es darum, eine Stoff- und Energiebilanzierung für den Standort, eine Abteilung, einen Prozess oder ein Produkt vorzunehmen. Dabei sind drei Schritte wesentlich:

  1. Festlegung der Systemgrenzen, z. B. Standortabgrenzung;
  2. Feststellung und Kategorisierung der ein- und ausgehenden Stoff- und Energieflüsse (Bilanzstruktur);
  3. Bestimmung der Flussmengen (Datenerhebung in physikalischen Größen).

2.2.2 Erstellen eines Flussmodells

1. Schritt: ­Standortbilanz

Die Erstellung eines Flussmodells basiert zunächst auf einer Standortbilanz, di...

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