Eine Besonderheit beinhaltet § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO. Demnach ist das grobe Verschulden des Steuerpflichtigen unbeachtlich, wenn die neuen Tatsachen und Beweismittel zu Gunsten des Steuerpflichtigen in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln zu Ungunsten des Steuerpflichtigen stehen.

In den Vergleich, ob die nachträglich bekannt gewordene Tatsache der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen zu einer höheren (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO)oder einer niedrigeren (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO) Steuer führt, ist im Rahmen der Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG nicht nur die festgesetzte Einkommensteuer, sondern auch die durch den Abzug vom Kapitalertrag abgegoltene Einkommensteuer einzubeziehen.

Einzubeziehen sind auch anzurechnende Abzugsbeträge. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Einbeziehung der nacherklärten Kapitalerträge in die Veranlagung und die damit verbundene erhöhte Steuerfestsetzung nicht das Ziel des Änderungsbegehrens, sondern eine notwendige Voraussetzung für die Erstattung der inländischen Abzugsbeträge ist. Eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids kann in diesen Fällen nur nach Maßgabe des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO erfolgen.

Ferner sind in einen entsprechenden Vergleich auch die mit den nacherklärten Kapitalerträgen in Zusammenhang stehenden, anrechenbaren ausländischen Steuerbeträge und EU-Quellensteuern einzubeziehen, deren Anrechnung und Erstattung erreicht werden soll. Auch in diesem Fall ist die begehrte Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids nur unter den Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2AO zulässig.[1]

 
Praxis-Beispiel

Nachträglich geltend gemachte Betriebsausgaben

Das Finanzamt erfährt über eine Kontrollmitteilung von einem Geschäftsvorgang, der zu bislang nicht erklärten Einnahmen aus § 15 EStG in Höhe von 10.000 EUR geführt hat. Es ändert den Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO unter entsprechender Erhöhung des bislang erklärten Gewinns aus Gewerbebetrieb. Für den Steuerpflichtigen war dies dennoch ein Verlustgeschäft, denn mit den Einnahmen in Höhe von 10.000 EUR stehen bislang nicht als Betriebsausgaben geltend gemachte Aufwendungen in Höhe von 12.000 EUR in Zusammenhang. Der Steuerpflichtige kann nun gegen den Änderungsbescheid Einspruch einlegen und die Betriebsausgaben in Höhe von 12.000 EUR geltend machen. Grundsätzlich könnte er nur die Aufhebung der Änderung erreichen (Anfechtung, soweit die Änderung reicht).[2] Die nachträglich geltend gemachten Betriebsausgaben stellen jedoch eine neue Tatsache dar und ein eventuelles grobes Verschulden wegen des Zusammenhangs mit den nachträglich angesetzten Einnahmen ist unbeachtlich. Somit ergibt sich hier per Saldo eine Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen (+ 10.000 EUR / 12.000 EUR = ./. 2.000 EUR), die von der Regelung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO abgedeckt ist.[3] Außerdem unterliegt die Änderung nicht der Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs. 1 AO.[4]

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