Leitsatz

Die Abgabe einer lückenhaften Steuererklärung hindert nicht die Änderung der Steuerfestsetzung wegen einer neuen Tatsache.

 

Sachverhalt

Der Kläger war Angestellter einer Handelsgesellschaft, die verbundenes Unternehmen einer AG war. Diese AG nahm in 1997 Wandeldarlehen von Mitarbeitern der AG sowie verbundenen Unternehmen auf. In 1999 wurde ein Teil des Darlehens gewandet, wobei der Kläger durch den Erhalt von Aktien der AG einen Gewinn erzielt. In seiner Steuererklärung für 1999 erklärte er diesen Gewinn nicht. Allerdings erklärte er in einer Anlage zur Steuererklärung den Rückgang der Darlehenssumme. Auch reichte er Depotauszüge bezüglich des Darlehens ein. In 2003 erhielt das Finanzamt eine Kontrollmitteilung, in der der geldwerte Vorteil des Klägers näher dargestellt wurde. Das Finanzamt änderte daraufhin die Steuerfestsetzung 1999 gemäß § 173 AO, da ihm eine neue Tatsache bekannt geworden sei. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg. In seiner Klage führte der Kläger an, eine Änderung gemäß § 173 AO sei nicht möglich, da dem Finanzamt sämtliche Tatsachen bereits bei Erlass des ersten Steuerbescheides bekannt gewesen seien.

 

Entscheidung

Mit seiner Argumentation hatte der Kläger beim Finanzgericht keinen Erfolg. Das Gericht führte zunächst aus, dass es unstreitig sei, dass der Kläger in 1997 aufgrund der Wandlung einen geldwerten Vorteil erlangt habe. Auch sei das Finanzamt zur Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berechtigt gewesen. Zwar sei eine Änderung gemäß dieser Norm ausgeschlossen, wenn das Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht hätte erkennen können. Hier seien mit der Steuererklärung zwar gewisse Unterlagen eingereicht worden, diese seien aber nicht ausreichend gewesen, damit der Steuerpflichtige seinerseits seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen sei. Hierzu sei es erforderlich, dass die Angaben des Steuerpflichtigen den Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich darstellen. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Wenn aber beiderseitige Pflichtverletzungen vorliegen, müssten diese abgewogen werden. Bei einer solchen Abwägung sei die Änderung zweifellos zulässig gewesen, da die Unterlagen des Steuerpflichtigen keine vollständige Prüfung des Sachverhalts zugelassen hätten.

 

Hinweis

Die Entscheidung führt einen Teilaspekt der Änderung nach § 173 AO vor Augen. Bekanntlich kann nach dieser Norm eine Steuerfestsetzung geändert werden, wenn das Finanzamt Kenntnis von einer neuen Tatsache erlangt. Führt diese zu einer niedrigeren Steuer, ist ein Verschulden des Steuerpflichtigen zu prüfen. Hier war indes streitig, ob überhaupt eine für das Finanzamt neue Tatsache gegeben war, da der Steuerpflichtige anführte, er habe bereits mit der Steuererklärung sämtliche erforderlichen Unterlagen eingereicht. Dies sei nicht so gewesen, stellt das Gericht fest. Da die Unterlagen nicht vollständig waren, sei der Steuerpflichtige seinen Pflichten nicht nachgekommen. Zwar mag hier, auch dies thematisierte das Finanzgericht, das Finanzamt seiner Amtsermittlungspflicht ebenfalls nicht in vollem Umfang nachgekommen sein, doch selbst dies hätte die Änderung nach § 173 AO nicht ausgeschlossen. Liegt nämlich eine beiderseitige Pflichtverletzung vor, hat eine Abwägung zu erfolgen [1]. Bei einem gleich zu gewichtenden Verschulden ist ebenfalls eine Änderung nicht ausgeschlossen, da es primär auf die Steuererklärungspflicht des Steuerpflichtigen ankommt [2]. Nur wenn die Pflichtverletzung des Finanzamts weit überwiegt, ist keine Änderung nach § 173 AO möglich [3].

Die Entscheidung ist bestandskräftig. Die Revision wurde nicht zugelassen.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 03.04.2009, 1 K 3721/06

[1] Vgl. BFH, Urteil v. 11.11.1987, I R 108/85, BStBl 1988 II S. 115
[2] Vgl. Frotscher, in: Schwarz, AO, § 173 AO Tz. 61
[3] Vgl. BFH, Urteil v. 20.12.1988, VIII R 121/83, BStBl 1989 I S. 585 und BFH, Urteil v. 20.12.2000, III B 43/00, BFH/NV 2001 S. 744 sowie Frotscher, in: Schwarz, AO, § 173 AO tz. 61 m.w.N.

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