Leitsatz

Ein Steuerbescheid kann geändert werden, wenn nachträglich bekannt wird, dass falsche Angaben zu den Kilometern der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gemacht werden.

 

Sachverhalt

Die Kläger wurden für die Jahre 1996 bis 2005 zunächst wie erklärt zur Einkommensteuer veranlagt. Die klagenden Eheleute erzielten im gesamten Zeitraum beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Hierbei gaben sie jeweils zu viel Kilometer als Fahrtweg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an. Dies fiel dem Bearbeiter im Finanzamt im Rahmen der Bearbeitung der Steuererklärung 2006 auf. Aufgrund der neuen Tatsache, dass die einfache Fahrt statt erklärten 28 Kilometern nur 10 Kilometer betrug, änderte das Finanzamt die bestandskräftigen Festsetzungen der Jahre 1996 bis 2005 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Gegen diese Änderung wandten sich die Kläger zunächst im Einspruchs- und anschließend im Klageverfahren.

 

Entscheidung

Die Klage wurde in den wesentlichen Bereichen als unbegründet abgewiesen. Das Finanzgericht sah es als unzweifelhaft an, dass die zutreffende Kilometerzahl eine neue Tatsache sei, die zu einer höheren Steuer geführt habe. Auch habe das Finanzamt nicht seine Ermittlungspflicht hinsichtlich der zutreffenden Kilometerzahl verletzt. Die Angaben der Steuerpflichtigen in der Erklärung seien nicht widersprüchlich oder offenkundig zweifelhaft gewesen, so dass ein Anlass für weitere Ermittlungen nicht bestanden habe. Hinsichtlich der Dauer der möglichen nachträglichen Änderung kam das Finanzgericht zur Anwendung der 10-jährigen Verjährungsfrist. Aufgrund der falschen Kilometerangabe sei nämlich der objektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllt, mit Ausnahme des Erstjahres 1996 zudem auch der subjektive Tatbestand. Damit sei hier mit Ausnahme des Jahres 1996 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Eine Änderung sei deshalb möglich gewesen.

 

Hinweis

Das Urteil hat den sehr praktischen Fall zum Inhalt, dass ein Steuerpflichtiger falsche Angaben zu den gefahrenen Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte macht. Werden dem Finanzamt später die zutreffenden Kilometer bekannt, stellt dies eine neue Tatsache dar, die grundsätzlich eine Änderung von bestandskräftigen Bescheiden bis zur Festsetzungsverjährung ermöglicht. Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn die Angaben offensichtlich falsch sind und dies dem Finanzamt hätte auffallen müssen. Wichtig ist zudem zu erkennen, dass in der Angabe der falschen Kilometerzahl eine Steuerhinterziehung gesehen werden kann, so dass eine Änderung auch noch für zehn Jahre rückwirkend in Betracht kommt. Im Einzelfall kann dabei der Vorsatz durchaus in Frage gestellt werden, doch hatte im hier entschiedenen Fall das Finanzgericht keine Bedenken, mit der Ausnahme des Erstjahres, einen Vorsatz der Steuerpflichtigen anzunehmen. Gerade in Zeiten der zunehmen leichteren Ermittlung der zutreffenden Kilometerzahl (etwas durch Routenplaner und andere Seiten im Internet) sollte die Gefahr, die bei der Angabe falscher Kilometerzahlen droht, jedem Steuerpflichtigen bewusst sein, wenn nicht - oftmals nach Jahren - das dicke Ende kommen soll. Insofern ist das Besprechungsurteil als Warnsignal zu verstehen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Link zur Entscheidung

FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.03.2011, 3 K 2635/08

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