Die oben beschriebenen Konzepte zeigen eine mögliche Herangehensweise auf, wie Unternehmen in der aktuellen Zeit adaptiv steuern können – mit dem Ziel, kurz- und mittelfristig reaktionsfähig und langfristig wettbewerbsfähig und erfolgreich zu bleiben. Stellen wir uns zur Verdeutlichung der beschriebenen Konzepte ein Unternehmen vor, wie wir es so oder in ähnlicher Form bereits kennen: die La Buona Cucina Personalrestaurants GmbH. Das mittelständische, inhabergeführte Catering-Unternehmen wurde in den 1980er Jahren aus der Betriebskantine eines niedersächsischen Automobilzulieferers heraus gegründet. Historisch zählen mittlere und größere produzierende Unternehmen im ländlichen Raum – unter ihnen viele "Hidden Champions" – zu den Kunden. Das Unternehmen ist Anfang des neuen Jahrtausends stetig gewachsen, konnte jedoch nicht an die Erfolge der 1990er Jahre anknüpfen. Aus diesem Grund versuchte La Buona Cucina in den vergangenen Jahren auch in anderen Industriezweigen und in größeren Städten Kunden zu gewinnen. Dies erreichte man insbesondere durch die Ausweitung der Produktpalette um Speisen aus aller Welt und zuletzt vermehrt vegetarische und vegane Gerichte mit regionalen Zutaten.

4.1 Strategieprozess und Entscheidungsfindung

Mitte 2019 begann die Geschäftsführung damit, neue strategische Optionen zu evaluieren. Wesentliches Element der zukünftigen Ausrichtung sollte die stärkere Unabhängigkeit vom konventionellen Kantinenbetrieb sein. Bereits in den Jahren zuvor wurde die Entwicklung der Dienstleistung rund um die Auslieferung von Speisen an Privathaushalte interessiert beobachtet. In einer strategischen Planungsrunde ("Campus") wurden im erweiterten Führungskreis mit Vertretern sämtlicher Abteilungen unterschiedliche Alternativen durchgerechnet und diskutiert:

  1. "Gourmet-Essen auf Rädern" für Seniorenresidenzen, d. h. eine mittlere Anzahl von Kunden mit jeweils mittleren Abnahmemengen, hohen Materialkosten und langfristig planbarem Bedarf.
  2. Schaffung eines auf regionale Speisen spezialisierten Lieferdienstes, d. h. eine hohe Anzahl von über das gesamte Stadtgebiet verteilten Abnehmern mit kleinen Abnahmemengen, mittleren Materialkosten und stark fluktuierendem Bestellaufkommen.
  3. "Virtuelle Kantine" für kleinere Unternehmen ohne eigenes Betriebsrestaurant, d. h. eine mittlere Anzahl von Abnehmern mit mittleren Abnahmemengen, mittleren Materialkosten und fluktuierendem – aber trotzdem einigermaßen prognostizierbarem – Bestellaufkommen.

Hierfür wurde die Simulationssoftware der Firma Valsight verwendet. Das bestehende strategische Simulationsmodell (s. Abb. 3) wurde in diesem Zusammenhang erweitert, um die Aufwände der unterschiedlichen Alternativen (Einkauf, Zubereitung, Auslieferung) sowie deren Auswirkungen auf den Deckungsbeitrag einer einzelnen ausgelieferten Mahlzeit zu ermitteln. Um dies zu erreichen, wurden im Szenario-Manager Annahmen über die zukünftige Ausprägung sämtlicher wesentlicher Einflussfaktoren der neuen Geschäftsmodelle eingegeben und den unterschiedlichen Szenarien zugeordnet.

Anschließend wurden unterschiedliche Szenarien gemeinsam simuliert und diskutiert, mit dem Ergebnis, dass das Konzept "Virtuelle Kantine" in puncto Deckungsbeitrag, Volatilität und initialem Investment als sinnvolle Alternative ausgewählt wurde. Es wurde entschieden, das neue Geschäftsmodell zunächst in einem Pilotprojekt in Berlin zu starten und die Mahlzeiten in der Kantine eines lokalen Kunden zuzubereiten. Ein IT-Unternehmen in Osteuropa bekam den Auftrag zur Entwicklung einer App, mit der sowohl der Bestell- und Abrechnungsprozess als auch das Routing der Auslieferung abgebildet werden sollte. Die notwendigen Fahrzeuge wurden für den Testzeitraum monatsweise angemietet und die Fahrer sowie zusätzlich benötigtes Küchenpersonal über eine Leiharbeitsfirma beauftragt.

Abb. 3: Treibermodell zur Simulation des neuen Geschäftsmodells in Valsight

4.2 Optimierung des neuen Geschäftsmodells

"Virtual Office Lunch" startete mit großem Medien-Echo im Januar 2020 und in den ersten Wochen konnten die Bestellzahlen kontinuierlich gesteigert werden. Mit dem bundesweiten Lockdown im März aufgrund der Corona-Pandemie wurde stadtweit der Bürobetrieb nahezu vollständig eingestellt, das Geschäft brach drastisch ein. In dieser Situation wurde das Projektteam vor die Wahl gestellt, den Betrieb zu pausieren oder das Konzept anzupassen. So entstand die Idee, Mitarbeiter der Kunden in der eigenen Wohnung mit frisch zubereitetem Essen zu beliefern. Da dies durch eine größere Anzahl an Fahrten und Zielorten mit einer geringeren Anzahl an Mahlzeiten eine grundlegende Anpassung der Lieferprozesse bedingte, wurden unterschiedliche Prozessänderungen geplant und simuliert. Folgende Schritte wurden dafür durchgeführt:

Aufnahme der Unternehmensprozesse

Da La Buona Cucina sich bereits frühzeitig für eine prozessorientierte Unternehmensführung entschieden hatte, sind alle für die Analyse erforderlichen Prozessmodelle mit den Prozessschritten bereits erfasst und verfügbar. In Abb. 4 ist bspw. der Bestellprozess bereits mittels Signavio Process E...

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