Rz. 183

Neben dem Neubewertungsmodell ist als zweiter Unterschied zum HGB nach IFRS der Komponentenansatz zu beachten. Demnach ist nach IAS 16.43 für jeden wesentlichen Bestandteil eines Sachanlagevermögenswerts die Abschreibung getrennt zu bestimmen. Das Grundanliegen des Komponentenansatzes zielt darauf ab, durch eine differenzierte Betrachtungsweise komplexer Sachanlagegüter – unabhängig vom Kriterium der Einzelveräußerbarkeit – eine realitätsgerechtere Darstellung zu erreichen. Der konventionelle Abbildungsmechanismus der gewogenen Durchschnittsrechnung bei differierenden Nutzungsdauern von wesentlichen Bestandteilen für die Sachanlagenvermögenswerte wird dieser Maßgabe nach der Überzeugung des IASB nicht gerecht (IAS16.BC26), sodass der Komponentenansatz konsequenterweise die Identifikation der einzelnen wesentlichen Bestandteile eines Vermögenswerts sowie die Wertermittlung und Bestimmung von deren individuellen Abschreibungsparametern vorsieht.

 

Rz. 184

Die zentrale Frage ist die Grenze der Aufteilung eines Vermögenswerts in seine einzelnen Komponenten. Erstes Kriterium muss die unterschiedliche wirtschaftliche und technische Nutzungsdauer sein. Nur wenn hier Unterschiede bestehen, hat die getrennte Betrachtung Bedeutung. Ansonsten kann nur das Primat der Wirtschaftlichkeit bei der Auslegung von "wesentlichem Bestandteil" eine Grenze für die Zerlegung darstellen. So erscheint es wenig sinnvoll, ein Kfz in seine einzelnen technischen Bestandteile zerlegt zu bilanzieren. Es ist davon auszugehen, dass die Laufleistung bis zu einem erwarteten Motorschaden so hoch ist, dass auch die Karosserie und das Getriebe dann einen Motortausch wirtschaftlich kaum noch rechtfertigen würden und somit das gesamte Fahrzeug abgestoßen wird. Die Einzelteile wie Räder, Wasserpumpen und Schweibenwischermotoren rechtfertigen aufgrund der vergleichsweise geringen Beträge keine separate Bilanzierung. Denkbar ist dies hingegen bei Windkraftanlagen, wo der Generator ggf. wirtschaftlich eine kürzere Lebensdauer hat als das Gehäuse der Anlage. Ebenso dürften die Wechselrichter einer Fotovoltaikanlage eine höhere technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer als die Solarmodule aufweisen. Der IASB führt als Beispiel die Triebwerke und die Inneneinrichtung eines Flugzeugs an, die annahmegemäß eine kürzere Nutzungsdauer haben als die (immer wieder in planmäßigen Abständen generalüberholte) Hülle und somit einen Komponentenansatz rechtfertigen. Ein weiteres Beispiel sind Gebäude, deren Innenausstattung i. d. R. aus technischen und/oder wirtschaftlichen Gründen eine geringere Nutzungsdauer aufweist wie die Gebäudestruktur. Nach IAS 16.45 können bei der Zerlegung Erleichterungen genutzt werden. So können gleiche Komponenten (wie etwa die Summe der Triebwerke eines Flugzeugs) zusammengefasst und ein verbleibender Rest an einzeln betrachtet nicht wesentlichen Komponenten eines Vermögenswertes dürfen als Sammelposten abgeschrieben werden.

 

Rz. 185

Endet die Nutzungsdauer und die Komponente muss ersetzt werden, ist eine Aktivierung zwingend. Dennoch wird die Problematik der Abgrenzung von Erhaltungs- und Herstellungsaufwand nicht komplett gelöst, es verbleiben Ermessensspielräume. Diese sind auch gegeben bei der Frage der Berücksichtigung von Überholungen. Hier ist zu bedenken, dass über den Komponentenansatz z. B. eine kostenintensive Generalüberholung im Sachanlagevermögen zutreffend ausgewiesen und über die Geschäftsjahre periodengerecht verteilt werden kann, wenn sie auf die Komponenten verteilbar ist, wohingegen dies im HGB bis zum BilMoG nur über die als Wahlrecht ausgestaltete Aufwandsrückstellung nach § 249 Abs. 2 HGB weniger elegant erreicht werden konnte und inzwischen explizit verboten ist. Allerdings sind Überlegungen etwa vonseiten des IDW zu beobachten, die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchhaltung in die Richtung des Komponentenansatzes auch im HGB fortzuentwickeln, ohne dass es bislang jedoch eine Übertragung geben würde.[1]

 
Praxis-Beispiel

Auszug aus dem Geschäftsbericht der Deutschen Lufthansa AG

Wesentliche Komponenten einer Sachanlage, die unterschiedliche Nutzungsdauern haben, werden separat bilanziert und abgeschrieben. Bei Verkehrsflugzeugen werden dabei Einbauten von Sitzen und Inflight-Entertainment-Systeme separiert. Fallen Kosten im Zusammenhang mit regelmäßig durchgeführten umfangreichen Wartungsarbeiten, wie z. B. der Generalüberholung von Flugzeugen, an, so werden die zugehörigen Kosten als separate Komponente aktiviert, sofern diese die Ansatzkriterien erfüllen.[2]

 

Rz. 186

Konkret sind bei Komponenten mit unterschiedlicher Nutzungsdauer separate Abschreibungspläne zu entwickeln und anzuwenden, die schließlich auch zu einer erfolgswirksamen Erfassung bei dem Abgang der Komponenten führen können. Diese Regelung führt zu einer Erhöhung der Abschreibungen, da die Komponenten häufig eine geringere Nutzungsdauer aufweisen als der Gesamtvermögenswert. Allerdings kommt es auch zu einer schnelleren Aktivierung bei Ersatzbeschaffun...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge