Rz. 32

Wenn es um die Nachhaltigkeitsberichterstattung geht, ist der Kapitalmarkt neben dem Gesetzgeber wohl der wichtigste Adressat von Informationen innerhalb der erstellten Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen. Steht für den Gesetzgeber v.a. die Compliance/Erfüllung der Offenlegungspflichten im Vordergrund, hat der Kapitalmarkt auch ein hohes Interesse an den eigentlichen Inhalten der Berichterstattung.

 

Rz. 33

Es herrscht Konsens innerhalb des Kapitalmarkts, dass Nachhaltigkeitsrisiken hoch finanziell sein können. Deshalb sind belastbare Informationen zu signifikanten Risiken essenziell. Ist das Unternehmen schon berichtspflichtig und veröffentlicht neben der nichtfinanziellen Erklärung zusätzlich einen Nachhaltigkeitsbericht, hat Erstere durch die Nähe zur Finanzberichterstattung i. d. R. die höhere Gewichtung für die Berücksichtigung durch den Kapitalmarkt. Dabei honoriert der Kapitalmarkt die Anwendung von freiwilligen Rahmenwerken wie den GRI-Standards nur bedingt. Unternehmen können dadurch zwar aufzeigen, dass diese in der Lage sind, ihre Nachhaltigkeitsdaten in ein bestimmtes Format zu bringen. Eine Aussage über die eigentliche Qualität und damit Belastbarkeit der Daten ist durch GRI nur bedingt möglich.

 

Rz. 34

Die Kapitalmarktteilnehmer sind es gewohnt, sich bei der Betrachtung von Finanzkennzahlen auf belastbare und ausschl. materielle Aspekte stützen zu können, getreu dem Motto "weniger ist mehr". Die Unfähigkeit, sich als Unternehmen auf das Wesentliche zu fokussieren und zu viele Nachhaltigkeitsthemen gleichzeitig als wichtig zu empfinden, führt perspektivisch zu einem klaren strategischen Nachteil. Die Potenziale zur Ausnutzung der Vorteile einer systematisch durchgeführten Materialitätsanalyse werden derzeit von den Unternehmen nur in den wenigsten Fällen voll ausgeschöpft.

 

Rz. 35

Auch ist es für den Kapitalmarkt zunehmend weniger hinnehmbar, wenn die Nachhaltigkeitskennzahlen erst Wochen oder sogar Monate nach der Finanzberichterstattung eines Unternehmens veröffentlicht werden. Die künftigen gesetzlichen Vorgaben der CSRD (§ 9 Rz 55 ff.) zahlen mit der Integration der verpflichtenden Nachhaltigkeitsangaben in den Lagebericht genau auf diesen Punkt ein.

 

Rz. 36

Um die Adressierung und die Entwicklungen der wesentlichen Themenfelder über die Jahre nachvollziehen zu können, spielen Zeitreihen bei der Bewertung der historischen Entwicklung eine zentrale Rolle. Daraus lässt sich verlässlich ableiten, mit welcher Konsequenz und seit wann sich ein Unternehmen mit der Messung der Ergebnisse in diesen Bereichen auseinandersetzt. Auch kann man Rückschlüsse auf die Ambition bei der Festlegung neuer Zielsetzungen ziehen. Sind Angaben zu den Ergebnissen der einzelnen Themenfelder nicht verfügbar oder werden diese nicht nach außen kommuniziert, gehen die Bewertungen der Analysten i. d. R. vom schlimmsten Fall aus ("…if we don’t know, we assume the worst").

 

Rz. 37

Kapitalmarktteilnehmer wollen auch verstehen, wie das Thema Nachhaltigkeit organisatorisch in den Unternehmen aufgehängt ist.

 
Praxis-Tipp

Folgende Fragestellungen können eine Hilfestellung für die Einschätzung durch die Analysten geben:

  • Wer verantwortet das Thema Nachhaltigkeit im Management und welche Commitments gibt es dort?
  • Gibt es vom Fachbereich direkte Reporting-Lines zum Management?
  • Wurde ein Nachhaltigkeitsgremium installiert?
  • In welcher Frequenz kommt dieses zusammen und wer ist Bestandteil eines solchen Gremiums?
 

Rz. 38

Außerdem spielt die vorhandene Qualität der bereitgestellten Daten eine große Rolle, weshalb in der Bewertung von Unternehmen Antworten auf verschiedene Fragen dazu gefunden werden müssen: Hat das betrachtete Unternehmen bspw. sichergestellt, dass der Nachhaltigkeitskonsolidierungskreis dem Finanzkonsolidierungskreis zu 100 % entspricht? Welche Nachhaltigkeitsangaben wurden extern verifiziert und in welcher Prüftiefe? In welche Reportings fließen die Ergebnisse ein und wie wird dadurch der Entscheidungsprozess im Management beeinflusst? Gibt es unterjährige Reportings und Nachweise für die aktive Steuerung?

 
Hinweis

Die Akzeptanz innerhalb der Organisation für das Nachhaltigkeitsmanagement hat unmittelbaren Einfluss auf die Datenqualität und ist damit die Grundlage für die Befähigung des Managements, bessere Entscheidungen mit Bezug zum Thema Nachhaltigkeit zu treffen.

 

Rz. 39

Was muss sich verändern?

Fakt ist, dass die Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen noch um Jahre der Qualität der Finanzberichterstattung hinterherhinkt. In deren weitere Annäherung an die Standardisierung und Qualität der Finanzberichterstattung setzt der Kapitalmarkt große Hoffnungen. Auch hier schafft die EU durch die Einführung von Offenlegungspflichten wie der CSRD oder den Vorgaben der künftigen ESRS (§ 9A) Abhilfe. Insbes. ist die enorme Ausweitung der von der Berichtspflicht umfassten Unternehmen hervorzuheben.

 

Rz. 40

Zudem wünscht sich der Kapitalmarkt (besonders die Investoren) von den Unternehmen deutlich mehr Forward-Loo...

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