Rz. 21

Noch dominiert meist die klassische Kapitalmarktperspektive die Sicht auf Unternehmen, doch werden Nachhaltigkeitsthemen zukünftig stärker "eingepreist".

Der Kapitalmarkt fordert Klarheit, wenn es um die Betrachtung der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen geht. Die Kapitalmarktteilnehmer sind es gewohnt, auf einheitliche bzw. etablierte Standards und Regulatorik bei Fragestellungen rund um die Themen Reporting, Accounting und Bonitätsbewertungen zurückgreifen zu können. Daher tut sich der Kapitalmarkt auch noch schwer im Umgang mit den oftmals unübersichtlichen Strukturen beim Thema Nachhaltigkeit. Diese basieren (bislang) insbes. auf dem hohen Anteil an rein freiwilliger Berichterstattung ohne verpflichtenden Berichtsstandard. Daher entwickelt sich die klassische Kapitalmarktperspektive von einem reinen Fokus auf die bereits implementierte Regulatorik zunehmend auf die sich teilw. noch in der Entstehung befindenden zukünftigen gesetzlichen Vorgaben (u. a. CSRD und SFDR).

 

Rz. 22

Weitere Faktoren für die uneinheitlichen Strukturen sind beispielsweise die heterogenen ESG-Rating-Methoden oder die aktuell noch unausgereiften Accounting Standards zum finanziellen Impact von Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen. Unterschiedliche Reifegrade in der Qualifikation oder im Verständnis von Nachhaltigkeitsfragestellungen bei Entscheidungsträgern verstärken diesen Effekt. Bedingt durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Krisen (Stapelkrise) ist die Stimmung innerhalb der Wirtschaft und damit bei den Banken zunehmend gedämpft. Wahrscheinlich steht die Menschheit bei der Bekämpfung der Klimakrise vor der größten und wichtigsten Herausforderung aller Zeiten. Es geht um nichts anderes als um die Zukunft unseres Planeten und damit das Überleben der Menschheit. Deshalb hat sich das Thema Nachhaltigkeit aus der Nische längst zu dem zentralen Wachstumsthema für den Kapitalmarkt entwickelt.

 

Rz. 23

Folgt man den Aussagen von Zukunftsforschern wie Jule Bosch, wird die Stapelkrise die Bedeutung der nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft weiter verstärken.[1] Die klassische Kapitalmarktperspektive stellt aktuell zwar noch die dominierende Kapitalmarktsicht auf Unternehmen dar, Nachhaltigkeit als das neue Normal wird aber unaufhaltsam weiter an Bedeutung dazugewinnen, v.a. für die Bewertung der Geschäftsmodelle von Unternehmen.

 

Rz. 24

So entwickelt sich der Betrachtungshorizont von eher kurzfristigen zu mittel- bis langfristigen Sichtweisen auf die Unternehmen. Ein gutes Beispiel sind die Net-Zero-Strategien der Unternehmen inkl. der entsprechenden Ausrichtung an den Pariser Klimazielen. Der klassische Fokus auf Finanzkennzahlen und die risikobasierte Betrachtung der Unternehmen werden immer stärker durch eine ausgewogene Chancenbetrachtung der Geschäftsmodelle ergänzt. Damit sollen künftig v. a. auch die "Enabler Qualitäten" eines Unternehmens auf die verschiedenen gesellschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit wie den United Nations Sustainable Development Goals (SDG; § 8 Rz 148 ff.) bewertet werden. Es geht v.a. um das Verständnis, ob ein Geschäftsmodell als Teil des Problems oder als Teil der Lösung z. B. i. S. d. Bekämpfung der zentralen Herausforderungen unserer Zeit wie der Klimakrise oder des Artensterbens angesehen werden kann. Der Kapitalmarkt fordert die Unternehmen zunehmend auf, die Weichen Richtung aktiver Steuerung der Nachhaltigkeitsthemen und einer ambitionierten Transformation der Geschäftsmodelle z. B. bei energetischen wie auch bei Fragestellungen zu den eingesetzten Rohstoffen/Materialien zu stellen (Energy & Material Transformation). Der Fokus liegt dabei auf der Bewertung der dafür eingesetzten Strategien und der Ambition, also der Inhalte und zeitlich geplanten Umsetzung von den Zielsetzungen der Unternehmen.

 

Rz. 25

Oftmals wird Nachhaltigkeit noch als reines Kosten-Thema und "Add-on" gesehen, insbes. da Investoren und Banken mehrheitlich renditegetrieben sind. V.a. Investoren beginnen aber zunehmend, in der Nachhaltigkeitsperformance der Unternehmen die direkte Verknüpfung zu der Transformations- bzw. Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells und dem damit verbundenen künftigen Renditepotenzial von Unternehmen zu sehen. Spannend in der Bewertung ist z. B. die Analyse, ob die Zusammensetzung und Qualifikation des Vorstands mit den strategischen Zielsetzungen eines Unternehmens harmonieren.

Abb. 2: Verschiebung der Gewichtung von Nachhaltigkeit bei der Unternehmensbewertung im Kapitalmarkt

 

Rz. 26

Ein wichtiges und damit nennenswertes Zukunftsfeld ist das Thema Impact Measurement. Im Grunde genommen geht es um die Zielsetzung, Nachhaltigkeit zu monetarisieren. Aktuell gibt es allerdings noch keinen vollumfänglich akzeptierten Ansatz, der es ermöglicht, die Auswirkungen von Nachhaltigkeit auf die Bilanzen der Unternehmen belastbar abzubilden. Vorreiter in der Entwicklung eines praktikablen Ansatzes ist die Initiative der Value Balancing Alliance (VBA; § 8 Rz 211 ff.). Da es für die Banken zum Kernge...

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