Rz. 7

Auf der Grundlage des in § 5 Abs. 1 EStG fixierten Grundsatzes der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz scheint es zunächst eine Grundvoraussetzung für dessen Anwendbarkeit zu sein, dass der handelsrechtliche Begriff "Vermögensgegenstand" mit dem steuerrechtlichen Begriff "Wirtschaftsgut" übereinstimmt. Der BFH orientiert sich bei der Auslegung des Wirtschaftsgutsbegriffs an den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, wobei der steuerliche Begriff des Wirtschaftsgutes "nicht weitergehen (darf) als der handelsrechtliche Begriff des Vermögensgegenstands".[1] Dass aber die Kriterien des Wirtschaftsgutsbegriffs nicht mit der früher hauptsächlich gebräuchlichen Auslegung des Vermögensgegenstandes mithilfe des Kriteriums der Einzelveräußerbarkeit übereinstimmen, ist unmittelbar erkennbar.[2] Allerdings erscheint es auf der Grundlage der neueren handelsrechtlichen Kriterien möglich, eine Übereinstimmung der Begriffe "Vermögensgegenstand" und "Wirtschaftsgut" herzustellen, zumal die derzeitigen Wirtschaftsgutkriterien keinen Bezug auf die Einzelveräußerbarkeit nehmen, z. B. Bierlieferungsrechte, selbstständige Gebäudeteile, Nießbrauchsrechte, Wettbewerbsverbote, Zuschüsse für Versorgungsleistungen. Der BFH versucht die Diskrepanz auf 2 Arten zu überbrücken:

Er passt sich an das Handelsrecht an, indem er Vorteile nur noch dann für aktivierungsfähig hält, wenn sie als Objekte greifbar und rechtlich konkretisiert sind.[3] In dieser Rechtsprechung ist ein Abgehen von der früheren – insofern aktivierungsfreudigeren – Rechtsprechung zu sehen, mit dem Ziel, einen Nachweis für das tatsächliche Vorhandensein eines Gutes zu liefern.[4]

Er unterlegt schon der Handelsbilanz eine weitere Aktivierungsdefinition, die durch die Erweiterung des Vermögensgegenstandsbegriffs nach Aufgabe der Zugrundelegung des Zerschlagungsfalls möglich geworden sei.[5] Da auf diese Weise anstatt der herkömmlichen Definition des Vermögensgegenstandes eine auf Kriterien des BFH basierende Interpretation zustande kommt, erfährt die insofern hergestellte Übereinstimmung Kritik in der Literatur.[6]

 

Rz. 8

Angesichts einer fehlenden handelsrechtlichen Rechtsprechung findet die steuerliche Rechtsprechung Eingang in die handelsrechtliche Handhabung. Meines Erachtens ist der Weg des BFH durchaus konsequent, von der schon im Handelsrecht nicht konsequent eingehaltenen und einhaltbaren Heranziehung des Einzelveräußerbarkeitskriteriums abzugehen und sich objektivierungsbedingt daran zu orientieren, ob ein als Objekt einzeln greifbarer und rechtlich konkretisierter Vorteil gegeben ist. Daraus ergibt sich eine Annäherung an den eigentlichen Inhalt des Begriffs des Vermögensgegenstandes, der die als Einzelheit des kaufmännischen Verkehrs fassbaren Güter kennzeichnen soll, wozu grundsätzlich eine Orientierung am Vorliegen eines Rechts oder rechtsähnlichen Verhältnisses erfolgt. Auch Moxter erkennt die teilweise Aufgabe der umsatzbezogenen Ausgabenaktivierung durch den BFH und die von diesem objektivierungsbedingt gewählte formalrechtliche Betrachtungsweise an und sieht darin "das einzig richtige Verfahren".[7] Diese Vorgehensweise führt zu einer objektivierungsbedingt eingeschränkten Ermittlung des Fortführungsvermögens und bietet einen geeigneten Ansatzpunkt für gemeinsame Aktivierungskriterien in Handels- und Steuerbilanz, wie auch die Darstellung in Abbildung 1 skizzieren soll.

Abb. 1: Annäherung der Begriffsmerkmale von Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand auf der Grundlage des Maßgeblichkeitsprinzips[8]

 

Rz. 9

Dass der BFH eine "Rechtsprechung zum Handelsbilanzrecht"[9] vornimmt und sich dabei – bei Gleichsetzung der Begriffe "Vermögensgegenstand" und "Wirtschaftsgut" – auf Urteile des BFH bezieht, wonach auch Werte bilanziert werden, die nur im Rahmen einer Veräußerung des ganzen Betriebs greifbar sind, mag wohl damit zu erklären sein, dass – angesichts einer fehlenden handelsrechtlichen Rechtsprechung – die steuerliche Rechtsprechung (notgedrungen) Eingang in die handelsrechtliche Handhabung findet; das Handelsrecht erfährt seine Auslegung durch andere Meinungsträger wie z. B. Kommentare oder das Wirtschaftsprüfer-Handbuch, die manchmal auf die steuerliche Handhabung Bezug nehmen (müssen). Meines Erachtens ist in der Ermittlung eines objektivierungsbedingt eingeschränkten Fortführungsvermögens unter Heranziehung formalrechtlicher Kriterien – mit Abstellen auf das Vorliegen eines Rechts oder rechtsähnlichen Verhältnisses – ein Ansatzpunkt für gemeinsame Aktivierungskriterien in Handels- und Steuerbilanz gegeben.

Dennoch muss konstatiert werden, dass die Interpretationen der Begriffe "Vermögensgegenstand" und "Wirtschaftsgut" gegenwärtig nicht übereinstimmen. Während handelsrechtlich infolge des BilMoG das Kriterium der Einzelverwertbarkeit in den Vordergrund gerückt wurde,[10] wird steuerlich auf die Verwertbarkeit zusammen mit dem Betrieb als Ganzes abgestellt. Dies führt bspw. dazu, dass der derivative Geschäfts- oder Firmenwert handelsrec...

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