Leitsatz

1. Kosten der Unterkunft eines Studenten am Studienort können als vorab entstandene Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in Abzug gebracht werden, wenn der Studienort nicht der Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen ist.

2. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG kommt schon deshalb nicht zur Anwendung, weil eine Hochschule kein Beschäftigungsort im Sinne der Vorschrift ist (Anschluss an Senatsentscheidungen vom 9.2.2012, VI R 44/10, BFHE 236, 431 und VI R 42/11, BFHE 236, 439).

3. Ein Student, der seinen Lebensmittelpunkt an den Studienort verlagert hat, ist regelmäßig nicht auswärts untergebracht i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG, § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrUmsG

 

Sachverhalt

K, 1984 geboren und in B beheimatet, besaß die Ausbildung als "Staatlich geprüfter Wirtschaftsassistent". Danach studierte K Weltwirtschaftssprachen in Z und wohnte dort auch zur Miete. Die Kosten dieser Ausbildung machte er als Werbungskosten geltend, war damit aber erst beim BFH erfolgreich. Der verwies die Sache an das FG zurück. Das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.2009, 1 K 3933/09, Haufe-Index 2602414, EFG 2011, 789) berücksichtigte in diesem zweiten Rechtsgang die Wohnungskosten am Studienort nicht, eine doppelte Haushaltsführung läge nicht vor. Es wies daher die Klage ab; der schon gewährte Sonderausgabenabzug (4.000 EUR, § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) für die Ausbildung ginge über die zu berücksichtigenden Kosten hinaus.

 

Entscheidung

Der BFH hob erneut die Vorentscheidung auf und verwies die Sache ein zweites Mal an das FG zurück. Dies wird nun nach Maßgabe der unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen zu prüfen haben, ob die Kosten der Unterbringung als Werbungskosten zu qualifizieren sind.

 

Hinweis

Der Besprechungsfall thematisiert, ob und wie Unterkunftskosten, die Studenten im Rahmen einer Zweitausbildung am Studienort entstehen, zum (vorweggenommenen) Werbungskostenabzug berechtigen.

1. Werbungskosten können bekanntermaßen auch durch berufsbezogene Bildungsmaßnahmen entstehen. Liegt, wie hier, eine Zweitausbildung vor, gilt dies unabhängig von der gesetzlichen Neuregelung (dazu: BFH, Urteil vom 27.10.2011, VI R 52/10, BFH/NV 2012, 323, BFH-PR 2012, 86). Zu den Werbungskosten gehören auch Kosten für beruflich veranlasste auswärtige Übernachtungen, insbesondere bei Auswärtstätigkeiten, mithin auch durch Bildungsmaßnahmen veranlasste Unterkunftskosten. Der Tatbestand der doppelten Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG) greift aber nicht, denn der setzt eine Unterkunft am Beschäftigungsort, also am Ort der regelmäßigen Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) voraus. Die liegt indessen nach der neuen BFH-Rechtsprechung bei einer arbeitgeberfremden Bildungseinrichtung nicht vor (dazu: BFH, Urteil vom 9.2.2012, VI R 42/11, BFH/NV 2012, 856, BFH/PR 2012, 179). Wie bei allen Kosten, die auch die Lebensführung berühren, gilt aber: beruflich veranlasst sind nur die notwendigen Mehraufwendungen. Davon ist auszugehen, wenn der Student nicht am Studienort seinen Lebensmittelpunkt hat, sondern die Unterkunft dort als Zweithaushalt zur Wohnung am Ort des Lebensmittelpunkts hinzukommt. Das ist strukturell mit der doppelten Haushaltsführung vergleichbar; deshalb auch der Verweis zur doppelten Haushaltsführung Alleinstehender (BFH, Urteil vom 9.8.2007, VI R 10/06, BFH/NV 2007, 1996, BFH/PR 2007, 422). Ob in der außerhalb des Studienorts gelegenen Wohnung der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung festzustellen. Abweichend von den Grundsätzen der doppelten Haushaltsführung gilt aber: Ein Student/Arbeitnehmer kann auch auswärts tätig sein, wenn er seinen Lebensmittelpunkt am Heimatort hat, dort aber keinen eigenen Hausstand i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG führt (zum Führen eines eigenen Hausstands: BFH, Urteil vom 26.7.2012, VI R 10/12, Haufe-Index 3481789).

2. Liegt der Lebensmittelpunkt am Studienort und sind die Wohnkosten damit keine Werbungskosten, greift auch nicht § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG. Diese Norm ist insoweit keine Auffangvorschrift. Der BFH versteht auswärtige "Unterbringung" als Gegensatz zum Lebensmittelpunkt am Studienort.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 19.9.2012 – VI R 78/10

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