Leitsatz

1. Überträgt die frühere Organträgerin ein ihr gehörendes Grundstück im Rahmen der Beendigung der Organschaft auf die frühere Organgesellschaft als Erwerberin, liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor, wenn die Erwerberin die unternehmerische Tätigkeit des Organkreises fortführt und das übertragene Grundstück ein Teilvermögen i.S. des Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 19 Abs. 1 MwStSystRL) ist.

2. Unschädlich ist, dass die Organschaft einen oder mehrere Tage vor der Übertragung des Grundstücks geendet hat und daher die Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit durch die Erwerberin vor der Übertragung des Grundstücks auf die Erwerberin erfolgt ist.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1a, § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG, § 15a Abs. 6a UStG a.F., Art. 5 Abs. 8 6. EG-RL (= EWGRL 388/77)

 

Sachverhalt

Eine GbR verpachtete ein Grundstück an die im Inland ansässige H GmbH, die im Maschinen- und Anlagenbau (Produktion) tätig war. Gesellschafter der GbR sind die Eheleute P und R zu je 50 %. P hielt außerdem 53,33 % der Anteile an der H GmbH (Geschäftsanteil 80.000 DM) und R 46,67 % der Anteile (Geschäftsanteil 70.000 DM). Die Anteile des P und der R an der H GmbH waren bei der Klägerin als (notwendiges) Sonderbetriebsvermögen bilanziert. Die GbR und das FA gingen übereinstimmend davon aus, dass zwischen der GbR und der H GmbH eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestehe. Die Verpachtung des Betriebsgrundstücks sei ein nicht steuerbarer Innenumsatz.

Am 17.2.2005 übertrug die GbR das Grundstück mit Wirkung vom 2.4.2005 an die H GmbH. Die GmbH-Anteile wurden von P und R an in Österreich ansässige Gesellschaften übertragen. Übertragungsstichtag war der 1.4.2005. Die H GmbH wurde dabei in eine GmbH & Co. KG umgewandelt. Die Eintragung der formwechselnden Umwandlung erfolgte am 22.3.2005.

In ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Jahr 2005 vom 25.8.2006 berechnete die Klägerin die Umsatzsteuer unter Einbeziehung der ihr noch zuzurechnenden Umsätze der H GmbH infolge der angenommenen Organschaft. Das FA stimmte der Umsatzsteuererklärung zu.

Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass der Verkauf des Betriebsgrundstücks mangels Option nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei sei. Er löse eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 6 UStG a.F. aus. Eine Geschäftsveräußerung liege nicht vor; es habe nur die Einzelveräußerung eines Grundstücks stattgefunden. Dem stehe die zwischen der Klägerin und der H GmbH bestehende Organschaft nicht entgegen; denn diese sei mit der Beendigung der personellen Verflechtung, spätestens mit dem Verkauf der Anteile, entfallen. Eine nachträgliche Option sei ebenfalls nicht möglich.

Das FA folgte der Rechtsauffassung des Prüfers im Umsatzsteuer-Änderungsbescheid vom 10.8.2012.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8.12.2016, 6 K 2485/13, Haufe-Index 10148944, EFG 2017, 343) entschied, das FA habe die Vorsteuerberichtigung zu Recht vorgenommen. Der von der Klägerin durchgeführte Grundstücksverkauf sei nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei und keine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG. Das Grundstück sei an den bisherigen Mieter veräußert worden, der den Mietvertrag nicht fortgeführt habe, sondern das Grundstück wie bisher für die Erzielung seiner Umsätze aus dem Verkauf seiner Produkte nutze. Die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen über die Konstruktion einer Organschaft zwischen der Klägerin als Organträgerin und der Erwerberin als Organgesellschaft komme nicht in Betracht.

 

Entscheidung

Der BFH ging zugunsten der Klägerin wegen § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO von einer ursprünglich bestehenden Organschaft (auch) nach nationalem Recht aus, da sich die Rechtsprechung des BFH erst im Jahr 2010 geändert hatte (vgl. BFH, Urteil vom 22.4.2010, V R 9/09, BFH/NV 2010, 1581, BStBl II 2011, 597; BFH, Urteil vom 1.12.2010, XI R 43/08, BFH/NV 2011, 935, BStBl II 2011, 600). Auf dieser Grundlage hob er die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Ob die Organschaft am 22.3.2005 (Tag der Umwandlung) oder am 1.4.2005 (Übertragungsstichtag) geendet hatte, ließ er mangels Entscheidungserheblichkeit offen.

 

Hinweis

1. Eine umsatzsteuerrechtliche Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) setzt in unionsrechtlicher Terminologie u.a. voraus, dass die Absicht besteht, die unternehmerische Tätigkeit fortzuführen. Ist dies der Fall, wenn der bisherige Organträger ein an die Organgesellschaft vermietetes Grundstück bei Beendigung der Organschaft an die frühere Organgesellschaft überträgt, die es fortan selbst nutzt?

2. Als erste Antwort kommt einem ein "Nein" in den Sinn; denn die Erwerberin (bisherige Organgesellschaft) will ja nicht mehr vermieten, sondern selbst nutzen (vgl. BFH, Urteil vom 24.9.2009, V R 6/08, BFH/NV 2010, 560, BStBl II 2010, 315, Rz. 24; BFH, Urteil vom 6.7.2016, XI R 1/15, BFH/NV 2016, 1650, BStBl II 2016, 909, Rz. 33).

3. Dies lässt allerdings unbeachtet, dass (nach der m.E. nic...

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