Leitsatz

Nach dem Auslandstätigkeitserlass kann der Arbeitslohn von Arbeitnehmern steuerfrei gestellt werden, wenn er für eine begünstigte Tätigkeit im Ausland gezahlt wird. Die Steuerfreiheit gilt jedoch nur für Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers. Diese Beschränkung verstößt gegen EU-Recht. Die Steuerfreiheit muss somit auch für Arbeitnehmer eines ausländischen Arbeitgebers gelten.

 

Sachverhalt

Herr Petersen ist dänischer Staatsangehöriger. Zusammen mit seiner Frau hat er seinen Wohnsitz in Ludwigshafen und ist somit in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Herr Petersen ist als Arbeitnehmer bei einem Unternehmen mit Sitz in Dänemark beschäftigt. Dieses entsandte ihn 2002 für drei Jahre nach Benin, um dort an einem von der dänischen Entwicklungshilfe finanzierten Entwicklungshilfeprojekt mitzuarbeiten. Aus dieser Tätigkeit bezog Herr Petersen 2003 Arbeitslohn i. H. v. ca. 60.000 EUR. Er beantragte bei seinem Finanzamt, die Steuer für diese Einkünfte auf Grundlage des Auslandstätigkeitserlasses zu erlassen. Das Finanzamt lehnte dies ab und unterwarf die Einkünfte in vollem Umfang der Einkommensteuer.

§ 34c EStG enthält Regelungen zur Besteuerung von unbeschränkt Steuerpflichtigen, die im Ausland Einkünfte erzielen. Nach § 34c Abs. 5 EStG kann die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder zum Teil erlassen werden. Zur Konkretisierung dieser Voraussetzungen für die Einkünfte von Arbeitnehmern wurde vom Bundesfinanzministerium der sogenannte Auslandstätigkeitserlass erlassen (im Folgenden: ATE, BMF, Schreiben v. 31.10.1983, BStBl 1983 I S. 470).

Nach der Einleitung des ATE wird bei Arbeitnehmern eines inländischen Arbeitgebers von der Besteuerung des Arbeitslohns abgesehen, den der Arbeitnehmer für eine begünstigte Tätigkeit im Ausland erhält. Der so von der Besteuerung freigestellte Arbeitslohn wird jedoch dem Progressionsvorbehalt unterworfen, also bei der Berechnung des Steuersatzes für die übrigen Einkünfte berücksichtigt (Abschn. IV ATE). Begünstigt ist u.a. die Auslandstätigkeit für einen inländischen Lieferanten, Hersteller oder Auftragnehmer im Zusammenhang mit der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der technischen oder finanziellen Zusammenarbeit (Abschn. I Abs. 1 Nr. 4 ATE). Die begünstigte Tätigkeit muss 3 Monate ununterbrochen in einem Staat ausgeübt werden, mit dem kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, das Regelungen für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit enthält (Abschn. II Abs. 1 ATE). Der Antrag auf Erlass der Steuer kann vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer für den Lohnsteuerabzug beim Betriebsstättenfinanzamt gestellt werden oder vom Arbeitnehmer im Rahmen der Veranlagung bei seinem Wohnsitzfinanzamt (Abschn. VI ATE).

 

Entscheidung

Der EuGH stellt zunächst fest, dass im vorliegenden Fall die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV betroffen sei. Diese solle zwar insbesondere die Inländerbehandlung im Tätigkeitsstaat sichern. Sie verbiete aber auch, dass der Wohnsitzmitgliedstaat eines Steuerpflichtigen (hier: Deutschland) die freie Annahme und Ausübung einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Dänemark) behindere. Schließlich verbiete sie a\uch die Behinderung einer außerhalb des Unionsgebiets ausgeübten Berufstätigkeit (hier: Benin), wenn das Arbeitsverhältnis einen hinreichend engen Bezug zum Recht eines Mitgliedstaats (hier: Dänemark) und damit zu den einschlägigen Regeln des Unionsrechts besitze.

Bei der Prüfung der Voraussetzungen des ATE zur Gewährung der Steuerfreiheit des Arbeitslohns stellt der EuGH eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit fest. Begründet wird dies damit, dass die Steuerfreiheit nur Arbeitnehmern inländischer Arbeitgeber gewährt werde, nicht hingegen Arbeitnehmern ausländischer Arbeitgeber. Diese Regelung könne daher Arbeitnehmer von der Annahme einer Beschäftigung bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Arbeitgeber abhalten. Sie stelle damit eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar, die auch nicht gerechtfertigt sei.

Der EuGH stellt daher fest, dass die Regelung des ATE zur Steuerfreiheit gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoße.

 

Hinweis

Die Entscheidung des EuGH ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: zum einen stellt sie klar, dass auch Tätigkeiten in Drittstaaten unter die Arbeitnehmerfreizügigkeit fallen können, wenn ein enger Bezug zum Recht eines Mitgliedstaats besteht, insbesondere also, wenn der Arbeitgeber in einem Mitgliedstaat ansässig ist.

Zum anderen bedeutet die Entscheidung, dass die Steuerfreiheit des ATE auch Arbeitnehmern von in anderen EU-/EWR-Mitgliedstaaten ansässigen Arbeitgebern gewährt werden muss (wenn die weiteren Voraussetzungen des ATE vorliegen).

Die Finanzverwaltung ist aufgefordert, den ATE insoweit zu ändern. Inwieweit dies zum Anlass genommen werden wird, den mittlerweile fast dreißig Jahre alten Erlass insgesamt zu überarbeiten, bleibt abzuwarten.

Solange bleibt betroffenen Steuerpflichtige...

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