LfSt Bayern, 17.8.2011, S 7168.1.1 - 4/6 St 33

 

1. „Dachpachtverträge” oder „Dachnutzungsverträge”

Derzeit „pachten” Investoren von Gebäudeeigentümern Dächer an, um darauf Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) zu errichten und zu betreiben. Diese Pachtverträge haben i.d.R. eine Laufzeit zwischen 20 und 30 Jahre. Teilweise ist ein Entgelt vereinbart, das monatlich oder jährlich zu leisten ist, teils übernimmt der künftige PV-Anlagenbetreiber als Gegenleistung die Sanierung des Daches (ggf. mit Baraufgabe).

Mit diesen Verträgen gestatten die Gebäudeeigentümer dem „Pächter”, auf dem Dach eine PV-Anlage anzubringen. Insoweit liegt eine steuerfreie Grundstücksvermietung (§ 4 Nr. 12a UStG) vor, die vergleichbar ist mit Standortanmietungen für Mobilfunkmasten (vgl. BMF-Schreiben vom 28.11.2005, BStBl 2005 I S. 1065, Abschn. 3.10 Abs. 6 Nr. 5 und 4.12.8 Abs. 2 UStAE).

 

2. „Dachverpachtung” gegen Dachsanierung durch den PV-Anlagenbetreiber

Insoweit liegt ein tauschähnlicher Umsatz (§ 3 Abs. 12 UStG) vor, nämlich die Gestattung der Dachnutzung gegen Werklieferung in Form der Dachsanierung (ggf. mit Baraufgabe).

 

2.1 Folgen beim Betreiber der PV-Anlage:

Das Gewerk „Dachsanierung” geht i.d.R. sofort in das Eigentum des Grundstückseigentümers über. Damit führt der PV-Anlagenbetreiber mit der Abnahme des Gewerks eine Werklieferung an den Gebäudeeigentümer aus, die er ihm in Rechnung stellen muss (§ 14 Abs. 2 Satz 1 UStG). Der PV-Anlagenbetreiber kann aus der Dachsanierung den Vorsteuerabzug geltend machen.

Erfolgt die Dachüberlassung ausnahmsweise unentgeltlich, ist die Weiterlieferung der Dachsanierung an den Gebäudeeigentümer als unentgeltliche Wertabgabe (§ 3 Abs. 1b UStG) zu erfassen.

Unterliegt der PV-Anlagenbetreiber der Sollversteuerung, entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Werklieferung ausgeführt wurde (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 UStG).

Nimmt der PV-Anlagenbetreiber die Istversteuerung in Anspruch, gilt Folgendes: Bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) entsteht die Steuer für Lieferungen und sonstigen Leistungen mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 1b UStG). Besteht das Entgelt nicht in Geld, ist für den Zeitpunkt des Zuflusses maßgeblich, wann der Leistungsempfänger den wirtschaftlichen Vorteil zugewendet erhält. Das Entgelt für die erbrachte Werklieferung (Dachsanierung) besteht in der Dachüberlassung. Im Rahmen einer Dachüberlassung fließt dem PV-Anlagenbetreiber der wirtschaftliche Vorteil daraus kontinuierlich zu und führt bereits vor Ablauf des Nutzungszeitraums zu einer Entgeltvereinnahmung. Der PV-Anlagenbetreiber vereinnahmt damit das Entgelt für die Dachsanierung fortlaufend in Form des anteiligen Werts der Dachüberlassung und hat dieses (Teil-)Entgelt bereits in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen der Besteuerung zu unterwerfen.

Grundsätzlich entspricht der Wert der Dachüberlassung den Aufwendungen für die Dachsanierung (Abschn. 10.5 Abs. 1 UStAE).

 

2.2 Folgen beim Eigentümer des Gebäudes:

Der Eigentümer hat vom PV-Anlagenbetreiber eine Werklieferung erhalten. Diese Werklieferung geht unmittelbar (gegenständlich) in das Gebäude und nicht in das Unternehmen „Dachverpachtung” ein. Für die Frage, ob der Gebäudeeigentümer aus der Dachsanierung einen Vorsteuerabzug geltend machen kann, ist die Nutzung des Gebäudes selbst entscheidend.

Verzichtet der Gebäudeeigentümer nach § 9 UStG auf die Steuerfreiheit der „Dachverpachtung”, hat er die erhaltene Werklieferung im Zeitpunkt der Ausführung als Anzahlung für die noch nicht erbrachte Dachverpachtung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 4 UStG zu besteuern (Abschn. 13.5 Abs. 2 UStAE).

 

3. Versagung der Genehmigung für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten beim PV-Anlagenbetreiber

Um zu vermeiden, dass eine Dachüberlassung als Entgelt für die erbrachte Werklieferung über den Pachtzeitraum verteilt versteuert wird, soll das Finanzamt im Einzelfall prüfen, ob ein Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) abgelehnt werden kann.

Das Finanzamt kann auf Antrag einem Unternehmer unter den weiteren Voraussetzungen des § 20 UStG gestatten, die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen. Die Gestattung der Istbesteuerung steht im Ermessen des Finanzamts, ihre Versagung darf nicht ermessenswidrig erfolgen. Die Erlaubnis darf nur dann versagt werden, wenn sie wegen der besonderen Verhältnisse beim Unternehmer nicht zu einer Vereinfachung, sondern zu einer Erschwerung der Feststellung und/oder Nachprüfung der Umsätze führt (Reiß/Kraeusel/Langer, § 20 UStG Rz. 20).

Eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten geht bei Pachtzeiträumen von 20 bis 30 Jahren weit über den eigentlichen Zweck des § 20 UStG, Liquiditätsnachteile für den Unternehmer zu vermeiden, hinaus. Die Vereinfachungsregelung soll nicht dazu dienen, das Steueraufkommen zu gefährden. Eine solche Gefährdung des Steueraufkommens kann angenommen werden, weil...

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