Rz. 121

Besonderheiten der AfA-Berechtigung gibt es beim dinglichen Nutzungsrecht "Nießbrauch"; allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass im Zuge der vom BFH[1] proklamierten Gleichbehandlung der Nutzungsrechtsarten die nachfolgenden Erläuterungen ebenfalls für obligatorische Nutzungsrechte gelten.

Bei der Festlegung der AfA-Berechtigung auf den Gegenstand selbst muss für den Fall des Nießbrauchs zwischen Zuwendungs-, Vorbehalts- und Vermächtnisnießbrauch unterschieden werden. Für den Zuwendungsnießbrauch wird die Abschreibungsberechtigung des Nießbrauchers für das Nießbrauchsobjekt – zumindest für den Fall, dass das Recht unentgeltlich eingeräumt wurde – verneint.[2] Für seit dem 31.5.1994 beurkundete Verträge gelten die gleichen Grundsätze – also keine AfA-Befugnis für den Nießbraucher – auch für den Vermächtnisnießbrauch.[3]

 

Rz. 122

Anders ist die Konstellation jedoch beim Vorbehaltsnießbrauch:[4] Wird ein Vermögensgegenstand unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs unentgeltlich aus dem Betriebsvermögen übertragen, so stellt dies für den Nießbraucher und ehemaligen Eigentümer eine Entnahme dar, die entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG mit dem Teilwert zu bewerten ist. Die Abschreibung auf den Gegenstand ist dem Nießbraucher zuzurechnen, da dieser, so die Begründung des BFH,[5] die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Gegenstands getragen habe. Die zu den Betriebsausgaben des Nießbrauchers zählende Abschreibung ist durch eine gewinnmindernde Einlage mit dem entsprechenden Buchungssatz "Abschreibung an Einlage" zu berücksichtigen. Bemessungsgrundlage für die Höhe der Abschreibung ist der Teilwert, zu dem der Gegenstand aus dem Betriebsvermögen entnommen wurde.[6] Die Vorgehensweise erläutert folgendes Beispiel:

Sachverhalt: Ein Vater (V) schenkt seinem Sohn (S) ein bebautes Grundstück, das sich zuvor in seinem Betriebsvermögen befand. Am Grundstück behält er sich jedoch einen lebenslangen Nießbrauch vor, der auch ordnungsgemäß im Grundbuch eingetragen wird. Für das Gebäude sowie den Grund und Boden gelten folgende Werte (in EUR):

 
  Buchwert Teilwert
Grund und Boden 100.000 250.000
Gebäude 200.000 250.000

Das Gebäude wurde von V bislang gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG mit 3 % p. a., also einem jährlichen Betrag von 6.000 EUR abgeschrieben.

Lösung: Die durch die Schenkung entnommenen Wirtschaftsgüter sind gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG mit dem Teilwert anzusetzen; folglich erzielt V einen außerordentlichen Ertrag i. H. v. 200.000 EUR. Allerdings kann V auch weiterhin, obwohl er nicht mehr zivilrechtlicher Eigentümer des bebauten Grundstücks ist, die AfA für das Gebäude in Anspruch nehmen. Diese bemisst sich jedoch nicht nach den ursprünglichen Anschaffungskosten und damit dem letzten Buchwert des Gebäudes, sondern nach dem höheren Teilwert. Damit kann V jährlich 7.500 EUR gewinnmindernd geltend machen.

 

Rz. 123

Befand sich das betreffende Wirtschaftsgut, an dem ein Vorbehaltsnießbrauch bestellt wurde, zuvor im Privatvermögen, so bestimmt sich die AfA-Bemessungsgrundlage nach den ursprünglichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Vorbehaltsnießbrauchers.[7] Diese grundsätzliche Beurteilung gilt auch im Fall einer Rückvermietung; dabei wird das Eigentum an einem Gegenstand unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts übertragen und an den Eigentümer rückvermietet. Der Eigentümer hat in Form des Mietaufwands Betriebsausgaben, der Nießbraucher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Letzterer, nicht der Eigentümer, kann damit auch die AfA geltend machen.[8] Im Gegensatz dazu sieht der BFH in der Bestellung eines unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauchs bei gleichzeitiger Rückvermietung an den Eigentümer mit folgender Begründung einen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO: "Derjenige, der ein Gebäude für eigene Zwecke benötigt, bestellt nicht einem anderen ein unentgeltliches Nutzungsrecht daran, um es anschließend entgeltlich zurückzumieten."[9]

 

Rz. 124

Die Argumentation der Rechtsprechung,[10] im Fall eines Vorbehaltsnießbrauchs handele es sich bei der AfA um eigene Aufwendungen des Nießbrauchers, erklärt, warum mit dieser Entscheidung von BFH-Seite keine Anerkennung des Drittaufwands einhergeht. Die Rechtsprechung folgt der Aufwandsverteilungstheorie, die eine Beurteilung dahingehend erlaubt, dass die betriebliche Veranlassung der Abschreibungen, die dazu dienen, die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Wirtschaftsguts auf die Nutzungsdauer zu verteilen, beim Vorbehaltsnießbrauch weiterhin gewahrt ist.

[2] Vgl. Biergans, Einkommensteuer: systematische Darstellung und Kommentar, 6. Aufl. 1992, S. 1146; für die AfA-Berechtigung im Zuge eines unentgeltlich eingeräumten dinglich geschützten Nutzungsrechts vgl. BFH, Urteil v. 24.4.1990, IX R 9/86, BStBl 1990 II S. 888. Vgl. auch BMF, Schreiben v. 30.9.2013, IV C 1 – S 2253/07/10004, BStBl 2013 I S. 1184 ff., Rz. 19.

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