Sachverhalt

Bei dem polnischen Verfahren ging es um die umsatzsteuerliche Behandlung von Eigenleistungen, die von einem Reiseveranstalter im Zusammenhang mit einer Reiseleistung erbracht werden. Fraglich war, ob als Eigenleistungen erbrachte Personenbeförderungsleistungen dem ermäßigten Steuersatz unterliegen können, wenn der Mitgliedstaat diesen auf Personenbeförderungsleistungen anwendet, oder ob diese Leistungen Nebenleistungen zu einer Reiseleistung sind und dann dem Normalsteuersatz unterliegen.

Die Klägerin betreibt ein Reisebüro, das Reiseleistungen erbrachte, wobei die Reisenden unter Einsatz eigener Beförderungsmittel der Klägerin (Autobusse) befördert wurden. U. a. erbrachte die Klägerin Leistungen in Form gemischter Reiseleistungen von Polen nach Tschechien (Reise nach Prag). Für den Transport der Reisenden setzte die Klägerin auf der gesamten Strecke einen eigenen Autobus ein. Sie trennte die Leistung auf in eine Reiseleistung, soweit sie dafür von anderen Unternehmern Reisevorleistungen empfangen hatte, und in eine Eigenleistung (Transport der Reisenden mit dem eigenen Beförderungsmittel). Die Personenbeförderung versteuerte sie nach allgemeinen Grundsätzen und wandte, soweit die Beförderung auf polnischen Strecken erfolgte, den ermäßigten Steuersatz an.

Die polnische Finanzverwaltung war der Auffassung, dass sich die Bemessungsgrundlage beim Zusammentreffen von Reiseleistungen und Eigenleistungen zwar für diese beiden Kategorien von Dienstleistungen getrennt bestimme, diese Dienstleistungen jedoch insgesamt mit dem Steuersatz besteuert werden müssten, der auf die Reiseleistungen anzuwenden sei, also zum Normalsatz. Dies betreffe alle Eigenleistungen, ohne die eine Pauschalreise nicht stattfinden könnte. Zu derartigen Teilleistungen zähle auch die mit Hilfe eigener Transportmittel des Reiseveranstalters erbrachte Beförderungsleistung, wenn die Beförderung der Reisenden zum Bestimmungsort einen unentbehrlichen Bestandteil der zusammengesetzten Reiseleistung darstelle.

Das Vorlagegericht trug vor, die Art. 306 bis 310 MwStSystRL regelten die Art und Weise der Bestimmung der Bemessungsgrundlage für Reiseleistungen bzw. für Eigenleistungen eines Reiseveranstalters. Die Vorschriften regelten aber nicht den Steuersatz, der auf diese beiden Kategorien von Leistungen anzuwenden ist. Das Vorlagegericht stellte die Frage, ob die unterschiedliche Art und Weise der Bestimmung der Bemessungsgrundlage auch die Anwendung verschiedener Steuersätze zur Folge haben muss, wenn Personenbeförderungsleistungen, die als Eigenleistungen erbracht werden, der Steuerermäßigung unterliegen.

 

Entscheidung

Der EuGH hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass die Margenregelung für Reiseleistungen nur solche Leistungen erfasst, die von dem Reiseveranstalter von Dritten bezogen werden. Eigenleistungen des Reiseveranstalters unterliegen den allgemeinen Vorschriften der Umsatzbesteuerung. Insofern hat auch der Begriff der einheitlichen Dienstleistung des Reisebüros an den Reisenden in Art. 307 MwStSystRL (Reiseleistung) nichts mit dem Begriff der Einheitlichkeit der Leistung bei Anwendung der allgemeinen Regelungen des Umsatzsteuerrechts zu tun. Das bedeutet, die im vorliegenden Verfahren streitigen Beförderungsleistungen unterliegen den allgemeinen Vorschriften und deshalb kann für sie auch einen anderer Steuersatz als der für Reiseleistungen gelten.

 

Hinweis

Der EuGH hat richtig entschieden, dass die Rechtsauffassung der polnischen Finanzbehörde unzutreffend war. Gemischte Reiseleistungen liegen vor, wenn der Unternehmer sowohl Leistungen mit eigenen Mitteln erbringt als auch Reisevorleistungen in Anspruch nimmt. In diesen Fällen ist die Margenregelung für Reiseleistungen nur anwendbar, soweit der Unternehmer gegenüber dem Leistungsempfänger in eigenem Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt. Für die im Rahmen einer solchen Reise erbrachten Leistungen mit eigenen Mitteln gelten die allgemeinen Vorschriften. Der einheitliche Reisepreis muss in diesem Fall aufgeteilt werden. Wenn im Rahmen einer Pauschalreise der Unternehmer die Reisenden im eigenen Bus befördert und Unterbringung und Verpflegung in einem fremden Hotel erfolgen, unterliegt die Beförderungsleistung als Eigenleistung den allgemeinen Besteuerungsvorschriften. Nur soweit Reisevorleistungen empfangen werden, ist die Margenregelung anwendbar. Für die Eigenleistungen kann somit ggf. auch ein ermäßigter Steuersatz zur Anwendung kommen (nach deutschem Recht z.B. bei der steuerbegünstigten Abgabe von Speisen und Getränken als Eigenleistung). Insgesamt bestätigt das Urteil die deutsche Rechtslage.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 25.10.2012, C-557/11

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