Leitsatz

1. Erhält ein Unternehmen ein Sachdarlehen über festverzinsliche Anleihen, die es nach Empfang veräußert und später zwecks Rückgabe zurückerwirbt, so sind weder die beim Rückerwerb dem Veräußerer zu vergütenden Stückzinsen noch die im Zeitraum zwischen der Überlassung der Anleihen und deren Rückgabe an den Darlehensgeber aufgelaufenen Stückzinsen als Entgelte für Schulden hinzuzurechnen.

2. Eine konkludente Abbedingung des § 101 BGB – die Zinsen der überlassenen Anleihen stehen der Verleiherin zu – begründet kein zusätzliches Entgelt für die Gewährung eines Wertpapierdarlehens.

 

Normenkette

§ 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002, § 607, § 609, § 101 Nr. 2 BGB, § 4 Abs. 4 EStG, § 255 HGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine zum P‐Konzern gehörende GmbH mit Sitz in Deutschland. An der gleichfalls zum P‐Konzern gehörenden A-Ltd. mit Sitz in Übersee ist sie weder unmittelbar noch mittelbar beteiligt.

Die Klägerin schloss 2005 mit der A-Ltd. einen "Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen", der die Grundlage für einzelne Wertpapiersachdarlehen i.S.d. § 607 BGB bildet und deutschem Recht unterliegt. Die Klägerin erhält danach als Darlehensnehmerin das unbeschränkte Eigentum an den überlassenen Wertpapieren und schuldet dafür ein Entgelt, das sich aus dem jeweils vereinbarten Prozentsatz des Marktwertes der Wertpapiere errechnet. Die während der Laufzeit des Darlehens auf die überlassenen Wertpapiere geleisteten Zinsen stehen der Darlehensgeberin zu. Deren Gegenwert hat die Darlehensnehmerin an die Darlehensgeberin zu zahlen (Kompensationszahlung). Am Ende der Laufzeit des jeweiligen Darlehens hat die Klägerin Wertpapiere gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren.

In den Jahren 2005 bis 2009 schlossen die Klägerin und die A-Ltd. nacheinander 14 Verträge über Wertpapiersachdarlehen. Auf das Jahr 2005 (Streitjahr) entfielen zwei Verträge mit einem Nennwert von 323.500.000 EUR (Vertrag vom 19.1.2005, Nominalzins 5,375 %) und 365.160.000 EUR (Vertrag vom 16.12.2005, Nominalzins 2,25 %).

Die Klägerin veräußerte die ihr übertragenen Anleihen nach Erhalt zum Börsenkurs zuzüglich Stückzinsen an Dritte. Zeitgleich vereinbarte sie zur Sicherung ihrer Rückgewährverpflichtung unbedingte Termingeschäfte (Forwards) über entsprechende Anleihen mit einer Bank.

Zum Ende der Laufzeit der Wertpapiersachdarlehen übertrug die Klägerin die auf Grundlage der Termingeschäfte erworbenen Anleihen an die A-Ltd. zurück. Kompensationszahlungen waren nicht zu leisten, da in die Laufzeit der Wertpapiersachdarlehen keine Zinstermine fielen.

Die Klägerin passivierte das Wertpapiersachdarlehen vom 20.1.2005 mit 360.441.263 EUR. Zum Ende der Laufzeit nahm sie aufwandswirksame Zuschreibungen unter zeitanteiliger Berücksichtigung der Stückzinsen vor. Beim Wertpapiersachdarlehen vom 20.12.2005 verfuhr sie entsprechend.

In ihrer GewSt-Erklärung ging die Klägerin davon aus, dass aufgrund der aufeinanderfolgenden Wertpapiersachdarlehen eine Dauerschuld vorliege, und rechnete die der A-Ltd. geschuldete zeitanteilige Leihgebühr i.H.v. 2.429.268 EUR gemäß § 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002 zur Hälfte dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzu.

Nach einer Außenprüfung behandelte das FA neben der Leihgebühr auch den Stückzinsaufwand von 16.397.120 EUR als hinzuzurechnende Entgelte für Dauerschulden.

Die Klage hatte Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.2.2018, 3 K 3018/15, Haufe-Index 11718696, EFG 2018, 1121).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG 2002) sind gemäß § 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002 die "Hälfte der Entgelte für Schulden" hinzuzurechnen, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen (sog. Dauerschuld). Zinsen und andere als Entgelte zu behandelnde Aufwendungen des Darlehensnehmers sind auf dieser Grundlage als Entgelte i.S.v. § 8 Nr. 1 GewStG 2002 zu qualifizieren.

Der Begriff der "Entgelte für Schulden" findet sich unverändert in der aktuellen Fassung des § 8 Nr. 1 Buchst. a GewSt; das Urteil gilt daher auch für die gegenwärtige Rechtslage.

2. Die Klägerin hatte Anleihen als Sachdarlehen empfangen und diese umgehend veräußert. Die beim Rückerwerb der zurückzugebenden Anleihen für die Stückzinsen aufgewendeten Beträge sind nicht hinzuzurechnen:

Sie haben nicht i.S.v. § 8 Nr. 1 GewStG 2002 zu Betriebsausgaben geführt, weil die Klägerin dafür – mit der erworbenen Anleihe – eine gleichwertige und zu aktivierende Zinsforderung erhielt; der Vorgang war mithin erfolgsneutral. Dabei ist unerheblich, ob das Wertpapier und der Stückzins buchhalterisch zutreffend gesondert erfasst oder ob die Stückzinsen fälschlich als Teil der Anschaffungskosten des Wertpapiers behandelt werden. Für den Betriebsausgabenabzug ist es ebenfalls unerheblich, ob die zwecks Rückgabe an den Sachdarlehensgeber mit Stückzinsen erworbene Anleihe tatsächlich über einen Bilanzstichtag gehalten und die erworbenen Stückzinsen buchhalterisch erfolgsneutral behandelt und in der Bilanz akti...

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