Leitsatz

Schicken die Eltern ihr sechsjähriges Kind zum Zweck des für die Dauer von neun Jahren angelegten Schulbesuchs zu den Großeltern ins Ausland, verliert das Kind grundsätzlich seinen Wohnsitz im Inland. Besuchsweise Aufenthalte des Kindes in der elterlichen Wohnung führen auch dann nicht zur Beibehaltung des Wohnsitzes, wenn die Rückkehr des Kindes nach Deutschland nach Erreichen des Schulabschlusses beabsichtigt ist.

 

Normenkette

§ 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG, §§ 8, 9 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Deutsche, ist mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Die 1986 geborene Tochter (T) lebte nach der Geburt zunächst ebenfalls in Deutschland. Seit 1992 besucht sie die Schule in der Türkei, wo sie bei den Großeltern lebt. Nur während der Schulferien hält sie sich bei den Eltern in Deutschland auf. Nach dem Erreichen des Schulabschlusses im Jahr 2001 soll T nach dem Willen der Eltern den Schulbesuch in Deutschland fortsetzen. Die Klage, mit der die Kläger Kindergeld für T ab Juni 1998 begehrten, war erfolglos.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. T habe ihren Wohnsitz in Deutschland nicht beibehalten. Es handele sich nicht um einen nur vorübergehenden Auslandsaufenthalt.

 

Hinweis

Die vorliegende Entscheidung stellt eine Ergänzung zu der Grundsatzentscheidung vom selben Tag VI R 107/99 (vgl. Seite 130) dar. Sie enthält zusätzlich ausführliche Darlegungen zur Verfassungsmäßigkeit (Art. 3 Abs. 1 bzw. Art 6 Abs. 1 GG) der Kindergeldregelung, soweit der Gesetzgeber an den Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes anknüpft. Bedeutsam ist die Entscheidung insbesondere für die Frage, wann ein nur vorübergehender Auslandsaufenthalt oder ein langjähriger (kindergeldschädlicher) Auslandsaufenthalt des Kindes vorliegt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 23.11.2000, VI R 165/99

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