Die 3. Alternative, die als begünstigende Regelung rückwirkend auf den 1.1.2008 durch das "EU-Umsetzungsgesetz" eingefügt wurde, sieht vor, dass ein Ansatz von Einzelverrechnungspreisen bei einer Funktionsverlagerung vorzunehmen ist, sofern zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist und (dieses) von ihm genau bezeichnet wird. Hierbei soll eine Glaubhaftmachung des Steuerpflichtigen ausreichend sein.[1]

Den Anforderungen genügen geschützte immaterielle Wirtschaftsgüter wie Patente aber auch ungeschützte wie das Know-how. Eine Beschränkung auf rechtlich geschützte immaterielle Wirtschaftsgüter – wie zunächst vom BMF geplant – ist nicht vorgesehen. Nach dem Gesetzeswortlaut reicht es auch aus, dass nur dieses eine wesentliche immaterielle Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen genau bezeichnet wird.

Der Gesetzestext steht hierbei eindeutig im Widerspruch zur Gesetzesbegründung.[2] Diese enthält eine Verpflichtung zur Bezeichnung aller wesentlichen übertragenen immateriellen Wirtschaftsgüter: "Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige alle von der Funktionsverlagerung betroffenen, wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter – auch soweit sie noch nicht bilanziert worden sind – genau bezeichnet. Die genaue Bezeichnung ist notwendig, denn selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter können aufgrund ihrer fehlenden Bilanzierbarkeit von der Finanzverwaltung meist nicht selbständig identifiziert werden; die Identifizierung ist aber zwingende Voraussetzung für eine sachgerechte, betriebswirtschaftlich fundierte Bewertung. Der Ansatz fremdvergleichskonformer Einzelverrechnungspreise für die Bestandteile des Transferpakets führt zu einem Ergebnis, das auch für die Funktionsverlagerung insgesamt dem international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Dadurch wird die sachgerechte Aufteilung internationaler Besteuerungsrechte zwischen den betroffenen Staaten gewährleistet."

Warum die Gesetzesbegründung entgegen dem eindeutigen Wortlaut die Notwendigkeit der Offenlegung "aller" wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter fordert, ist nicht ersichtlich. Die Finanzverwaltung greift diesen Gesichtspunkt in den VWGFVerl grundsätzlich auch nicht auf, verweist aber auf das Problem der Dokumentationsverpflichtungen für die Gesamttransaktion (s. auch Tz. 4).[3]

Immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile sind wesentlich i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 10 1. Halbsatz 1. Alternative AStG, "wenn sie für die verlagerte Funktion erforderlich sind und ihr Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets beträgt und dies unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Funktionsverlagerung, die aus den Aufzeichnungen i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 2 hervorgehen, glaubhaft ist".[4]

Diese Wesentlichkeitsgrenze ist auch auf die dritte Escape-Klausel anwendbar.

 
Praxis-Beispiel

Escape-Möglichkeiten

Ein Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie verlagert die Herstellung von Klimaanlagen auf eine ausländische Tochtergesellschaft. Die Lieferung soll an die asiatischen Kunden erfolgen, die bislang von der inländischen Muttergesellschaft beliefert worden sind. Die Tochtergesellschaft setzt die Patente sowie das Know-how der Muttergesellschaft ein, ebenso deren Markennamen.

Variante 1

Patente, Know-how und Markennamen machen 20 % des Preises des Transferpakets aus.

Lösung: 1. Escape-Möglichkeit erfüllt.

Variante 2

Der Markenname macht 30 % des Preises des Transferpakets aus und wird genau bezeichnet.

Lösung: 3. Escape-Möglichkeit erfüllt.

Variante 3

Patente, Know-how und Markennamen machen je 15 % des Preises des Transferpakets aus.

Lösung: Es ist weder 1. Escape- noch 3. Escape-Möglichkeit erfüllt.

Zur Frage der "Glaubhaftmachung" nimmt die Finanzverwaltung in den Rz. 40 und 41 der VWGFVerl Stellung.[5] Hiernach hat der Steuerpflichtige darzulegen, dass für die behauptete Tatsache eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Die behauptete Tatsache ist nur zugrunde zu legen, wenn ihr Bestehen wahrscheinlicher ist als ihr Nichtbestehen, ansonsten ist die Behauptung schon begrifflich nicht "glaubhaft" gemacht. Insoweit greifen die allgemeinen Dokumentationsverpflichtungen, d. h. die Vorlage- und Auflageverpflichtungen nach § 90 Abs. 3 AO i. V. m. § 3 Abs. 2 GAufzV. Die Finanzverwaltung fordert, dass sich aus den Unterlagen die für die Unternehmensentscheidung maßgeblichen Gründe für die Durchführung der Funktionsverlagerung hervorgehen müssen. Insbesondere soll der Steuerpflichtige die Angaben über die im Rahmen der Funktionsverlagerung übertragenen bzw. zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile und deren relativen Wert im Verhältnis zum Wert der Summe der Bestandteile des Transferpakets glaubhaft machen.

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