Leitsatz

Verzichtet der zum Barunterhalt verpflichtete Elternteil durch gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich auf die Anrechnung des hälftigen Kindergelds auf den Kindesunterhalt, ist sein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch gleichwohl in die Vergleichsrechnung des § 31 Sätze 4 und 5 EStG einzubeziehen.

 

Normenkette

§ 31 EStG , § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG , § 36 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin war geschieden, das eheliche Kind lebte 1996 in ihrem Haushalt. Der geschiedene Ehemann zahlte für das Kind keinen Unterhalt. Das Kindergeld wurde an die Klägerin ausgezahlt, der hälftige Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 Satz 5 EStG auf sie übertragen.

Die Klägerin beantragte in ihrer Einkommensteuererklärung, bei der Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 EStG nur das hälftige Kindergeld anzurechnen. Das FA vertrat dem gegenüber die Ansicht, die Klägerin habe zwar Anspruch auf den vollen Freibetrag, müsse sich dafür aber auch das ausgezahlte Kindergeld in voller Höhe anrechnen lassen.

 

Entscheidung

FG (EFG 1998, 1686) und BFH bestätigten die Auffassung des FA. Die Günstigerprüfung bei nicht zusammen veranlagten Eltern führe bei Auszahlung des Kindergelds an einen Elternteil jedenfalls dann zur Anrechnung des Kindergelds in voller Höhe, wenn dem das Kind betreuenden Ehegatten nach § 32 Abs. 6 Satz 5 EStG der hälftige Freibetrag des barunterhaltspflichtigen Ehegatten übertragen worden sei. Das entspreche der zivilrechtlichen Rechtslage, nach der dem Kind gegenüber beide Elternteile unterhaltspflichtig seien.

 

Hinweis

1. Gem. § 31 Satz 1 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags i.H.d. Existenzminimums eines Kindes alternativ durch den Kinderfreibetrag nach § 32 EStG oder durch das Kindergeld (§§ 62 ff. EStG) bewirkt. Nach § 31 Satz 4 EStG ist bei der Veranlagung zur EStG der Kinderfreibetrag abzuziehen, wenn die gebotene steuerliche Freistellung durch das während des Kalenderjahrs gezahlte Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt wird. Das bedeutet, dass der Kinderfreibetrag bei der Einkommensteuerveranlagung nur dann abgezogen wird, wenn der Steuerpflichtige dadurch besser gestellt wird als durch das während des Kalenderjahrs als Steuervergütung gezahlte Kindergeld (sog. Günstigerprüfung).

Die Günstigerprüfung wird für beide Elternteile durchgeführt, obwohl Kindergeld nur an einen Berechtigten ausgezahlt wird. Denn dem anderen Elternteil steht hinsichtlich seines hälftigen Anteils am Kindergeld ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch zu, der kraft ausdrücklicher Anordnung in § 31 Satz 5 EStG bei Inanspruchnahme des Kinderfreibetrags in gleicher Weise wie das ausgezahlte Kindergeld bei der Veranlagung der Einkommensteuer zu verrechnen ist. Das bedeutet, dass er im Fall der Minderung des Einkommens um einen Kinderfreibetrag bei der Einkommensteuer hinzuzurechnen ist (§ 36 Abs. 2 EStG).

2. Der Ausgleichsanspruch ist aber bei dem zum Barunterhalt verpflichteten ausgleichsberechtigten Elternteil nicht hinzuzurechnen, wenn dieser keinen Unterhalt leistet und deshalb der ihm zustehende Kinderfreibetrag auf den betreuenden Elternteil übertragen worden ist (§ 32 Abs. 6 Satz 5 EStG). Damit verändert sich aber auch bei diesem die Verrechnungslage. Da er dem Anspruch nicht mehr ausgesetzt ist, muss er sich auch das volle Kindergeld anrechnen lassen. Übersteigt dieses den Freibetrag, geht die Günstigerprüfung zu seinen Lasten aus. Das führt dazu, dass die Übertragung des Kinderfreibetrags in der Mehrzahl der Fälle, in denen der Grenzsteuersatz im Streitjahr unter 38,31 % liegt, beim Steuerpflichtigen keine zusätzliche steuerliche Entlastung zur Folge hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.3.2004, VIII R 86/98

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