Zusammenfassung

 
Überblick

Nach dem Prinzip der verfahrensrechtlichen Einheit bildet die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich einen unselbstständigen Teil des Steuerbescheids. Daher sind die einzelnen Besteuerungsgrundlagen nicht selbstständig mit dem Einspruch anfechtbar, sondern immer nur der Steuerbescheid als solcher.

Dieses Prinzip erleidet eine wichtige Ausnahme, und zwar, soweit das Gesetz eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vorsieht. In diesen Fällen ergeht durch das dafür zuständige Finanzamt ein eigenständiger, also auch selbstständig anfechtbarer Bescheid, der verfahrensrechtlich unter dem Oberbegriff Grundlagenbescheid geführt wird. Darunter fallen Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide und alle anderen Verwaltungsakte, die für die Festsetzung einer Steuer bindend sind. Auch Verwaltungsakte anderer Behörden, die keine Finanzbehörden sind, können Grundlagenbescheide sein (z. B. Verwaltungsakte der Versorgungsämter zur Feststellung des Behindertengrads i. S. v. § 33b EStG; Bescheinigungen der Gemeindebehörden nach § 7h Abs. 2 EStG zum Zweck erhöhter AfA bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen oder Bescheinigungen der Denkmalbehörden nach § 7i Abs. 2 EStG zum Zweck erhöhter AfA bei Baudenkmalen).

Verfahrensrechtlich finden auf die Grundlagenbescheide – mit Ausnahme einiger Spezialregelungen – die Vorschriften des Besteuerungsverfahrens Anwendung. Sobald ein Grundlagenbescheid ergeht, geändert oder aufgehoben wird, ist wegen der dadurch ausgelösten Bindungswirkung der darauf beruhende Folgebescheid (z. B. ESt-Bescheid) entsprechend anzupassen (s. Gruppe 12/A "Änderungsvorschriften").

Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf wichtige Beispiele zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, die Grundprinzipien der Bindungswirkung und die wichtigsten Verfahrensgrundsätze.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Das Prinzip der verfahrensrechtlichen Einheit ergibt sich aus § 157 Abs. 2 AO. Die Ausnahmeregelungen, d. h. die Regelungen über die zwingende Durchführung eines Feststellungsverfahrens, finden sich in den §§ 179ff. AO. Von zentraler Bedeutung für die Auswertung eines Grundlagenbescheids im Folgebescheid ist § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO, wobei verjährungsrechtlich ggf. der Ablaufhemmungstatbestand des § 171 Abs. 10 AO zu beachten ist. Hinzuweisen ist auf die jeweiligen Erläuterungen im AEAO.

Die wichtigsten Fallgruppen ("insbesondere") der gesonderten Feststellung werden in § 180 AO aufgezählt. Für die Tätigkeit der Lohnsteuerhilfevereine sind im Hinblick auf deren insoweit eingeschränkte Beratungsbefugnis (§ 4 Nr. 11 StBerG und die dazu ergangenen Gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 13.2.2023, BStBl 2023 I S. 399) grundsätzlich nur Überschusseinkünfte relevant.

1 Einheitliche und gesonderte Feststellung von Überschusseinkünften

Ist der Gegenstand der gesonderten Feststellung bei der Besteuerung mehreren Personen zuzurechnen (z. B. bei Bruchteils-, Güter- und Erbengemeinschaften sowie GbR), ist die Feststellung für alle Beteiligten zugleich einheitlich zu treffen.[1] Die steuerliche Erfassung der von diesen Personenmehrheiten erzielten Einkünfte, seien es Gewinneinkünfte oder seien es Überschusseinkünfte, und der mit ihnen in Zusammenhang stehenden anderen Besteuerungsgrundlagen ist zwingend im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung vorzunehmen.[2] Hiervon kann das Finanzamt nur in wenigen Fällen abweichen, z. B. wenn es sich um einen Fall von geringer Bedeutung handelt.[3]

 
Praxis-Beispiel

Gemeinsame Mieteinkünfte

Die Brüder A und B sind je zur Hälfte Eigentümer eines mehrstöckigen Mietshauses mit mehreren Wohnungen. Die hieraus erzielten Gesamteinkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind von dem für deren Verwaltung nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 AO zuständigen Finanzamt[4] einheitlich und gesondert festzustellen und entsprechend dem jeweiligen Miteigentumsanteil auf A und B aufzuteilen. Das entsprechende Ergebnis des Feststellungsbescheids wird vom Feststellungsfinanzamt den jeweils für A und B zuständigen Wohnsitzfinanzämtern intern mitgeteilt[5] und dort durch Erlass entsprechender ESt-Bescheide ungeprüft von Amts wegen übernommen. Liegt ein Fall von geringer Bedeutung vor, sieht das Feststellungsfinanzamt von der Feststellung ab und erlässt ggf. einen sog. negativen Feststellungsbescheid. In der Praxis wird von der Finanzverwaltung[6] ein Fall von geringer Bedeutung insbesondere bei gemeinsamen Miet- und Kapitaleinkünften von zusammenveranlagten Ehegatten/Lebenspartnern angenommen.[7] Dies gilt regelmäßig auch bei gewerblichen Einkünften einer Ehegatten-GbR aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des gemeinsamen Einfamilienhauses.[8]

Es empfiehlt sich daher, in solchen Fällen von vornherein keine Feststellungserklärung einzureichen. Stattdessen müssen die Einkünfte unmittelbar in der Einkommensteuererklärung angegeben werden, mit der Folge dass sie – ohne ein zusätzliches Feststellungsverfahren – unmittelbar in den ESt-Be...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge