Leitsatz

1. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist auch auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG anwendbar.

2. Das gilt auch dann, wenn zwar der Ersterwerb, nicht aber der Rückerwerb steuerbar ist.

3. Ist zwar der Rückerwerb, nicht aber der Ersterwerb steuerbar, so kann § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG nur anwendbar sein, wenn zum Zeitpunkt des Ersterwerbs das Grundstück dem damaligen Veräußerer grunderwerbsteuerrechtlich zuzuordnen war. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob es der Steuerbarkeit des Ersterwerbs bedarf.

4. Kommt ein Erwerbsvorgang durch einseitige ­Ausübung eines vertraglich begründeten Optionsrechts zustande, bezeichnet der Grunderwerbsteuerbescheid den Erwerbsvorgang in ausreichender Weise, wenn die vertraglichen Grundlagen benannt sind.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 3, § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG

 

Sachverhalt

Vereinfacht liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Dezember 2005

Schritt 1: Die GmbH 1 kaufte von der GmbH 2 u.a. ein Grundstück. Der Verkauf war jedoch aufschiebend bedingt.

Hier ist zu beachten, dass ein Grundstück einer Kapitalgesellschaft nicht nur dann zugerechnet wird, wenn diese zivilrechtliche Eigentümerin der Immobilie ist. Grunderwerbsteuerlich zugerechnet wird ein Grundstück schon dann, wenn über das Grundstück ein Kaufvertrag abgeschlossen worden und damit der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GewStG erfüllt ist. Steht der Kaufvertrag wie im Streitfall unter einer aufschiebenden Bedingung, erfolgt die Zurechnung über den Rechtsgedanken des § 14 Nr. 1 GrEStG erst mit Eintritt der Bedingung.

Schritt 2: Die Klägerin – die zuvor allein Inhaberin aller Anteile gewesen war – verkaufte 24,9 % der Anteile an der GmbH 1 an die GmbH 2. Der Klägerin wurde jedoch in Gestalt einer "Call Option" die Möglichkeit eines Rückerwerbs eingeräumt.

Schritt 3: Der Kaufvertrag über das Grundstück wurde wirksam. Das Grundstück war damit der GmbH 1 zuzurechnen.

Januar 2007

Schritt 4: Die Klägerin übte die Call Option aus mit der Folge, dass die 24,9 % Anteile an der GmbH 1 wiederum auf sie übergingen. Zu diesem Zeitpunkt war das Grundstück – wie dargelegt – dem Vermögen der GmbH 1 zuzurechnen. Die Klägerin vollzog somit einen Erwerbstatbestand in Gestalt des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, indem sie in ihrer Person alle Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft vereinigte.

Nach Durchführung einer Außenprüfung setzte das FA Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin "für den Sachverhalt 2005" fest.

Im Rechtsbehelfs- und Klageverfahren hat die Klägerin gegen die Besteuerung eingewandt, es handele sich bei der Call Option um die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Unstreitig gelte diese Vorschrift auch für gesellschaftsrechtliche Erwerbstatbestände.

Zudem ist darüber gestritten worden, ob der besteuerungsrelevante Sachverhalt in der Einräumung der Option (Dezember 2005), oder in deren Ausübung (Januar 2007) lag. Wäre Letzteres der Fall, so hätte der Steuerbescheid möglicherweise den falschen Lebenssachverhalt zugrunde gelegt.

Die Vorinstanz (FG Münster, Urteil vom 16.6.2016, 8 K 2656/13 GrE, Haufe-Index 9558642, EFG 2016, 1282) hat der Klage aus formellen Gründen stattgegeben mit der Begründung, das FA habe mit der Vereinbarung aus Dezember 2005 in dem Bescheid einen Rechtsvorgang benannt, der nicht der Besteuerung unterliege.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen und das Urteil der Vorinstanz aufgehoben sowie die Sache an das FG zurückverwiesen.

Nach der Entscheidung des BFH bezeichnet der Grunderwerbsteuerbescheid den zu besteuernden Sachverhalt hinreichend genau. Die Erfüllung dieser Voraussetzung ist durch Auslegung zu ermitteln. Danach waren wesentliche Vertragserklärungen bereits im Dezember 2005 abgegeben worden, während im Januar 2007 lediglich die letzte Erklärung der Klägerin folgte.

Die Anteilsvereinigung ist auch steuerpflichtig. Mit Ausübung des Optionsrechts wurde der Grunderwerbsteuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Eine Nichtfestsetzung bzw. Aufhebung der Steuer nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG kommt nicht in Betracht. Denn das Grundstück war der GmbH 1 und damit für Zwecke des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Klägerin im Zeitpunkt der Anteilsübertragung (Ersterwerb) noch nicht zuzurechnen.

Die Zurückverweisung an das FG ist notwendig, weil der BFH nicht abschließend entscheiden kann. Das FG hat keine Feststellungen zur Festsetzungsverjährung im Zusammenhang mit der Erfüllung von Anzeigepflichten und den Besonderheiten bei der Durchführung einer Außenprüfung getroffen.

 

Hinweis

1. Der Besprechungsfall betrifft zwei Probleme. Zum einen geht es bei einem mehrstufigen und recht komplizierten Umstrukturierungsvorgang auch um ein Grundstück.

Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen kann Grunderwerbsteuer auslösen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein Grundstück gehört. Hier ist in der Praxis zu beachten, dass für das "Gehören" schon die "grunderwerbsteuerliche" Zurechnung ausreicht, aber auch notwendig ist.

Noch unübersichtlicher wird der Fall, wenn bei d...

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