Leitsatz

Wiederkehrende Leistungen und Zahlungen, die der Erblasser durch letztwillige Verfügung einem Vorerben zu Gunsten eines zum Generationennachfolge-Verbund gehörenden Nacherben für die Dauer der Vorerbschaft auferlegt und die aus dem übergegangenen Vermögen zu erbringen sind, können dem Rechtsinstitut der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen zuzuordnen sein.

 

Normenkette

§ 22 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 1a, § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 EStG, § 22 Nr. 1b EStG 2008, § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG 2007, § 2100, § 2303 Abs. 1 BGB, § 2306 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 und Abs. 2 BGB a.F., § 323 ZPO

 

Sachverhalt

Der Kläger (zu 25 %) und sein Vater V (zu 75 %) waren Miteigentümer eines vermieteten Mehrfamilienhauses. V verstarb im Jahr 1989. Testamentarische Alleinerbin wurde die Stiefmutter S des Klägers, allerdings als nicht befreite Vorerbin. Als Nacherben nach dem Tod der S bestimmte V den Kläger. V beschwerte S zudem mit dem Vermächtnis, dem Kläger "in der Zeit der Vorerbschaft" 25 % der Einnahmen aus dem vererbten Grund- und Wertpapiervermögen zukommen zu lassen. Der Kläger setzte die Grundstücksgemeinschaft nach dem Tod des V mit S fort und bezog in den Streitjahren der testamentarischen Anordnung entsprechend von S Zahlungen aus den ihr zuzurechnenden Einnahmen aus der Vermietung des Mehrfamilienhauses. Das FA ging von einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen aus und besteuerte die Zahlungen bei dem Kläger als sonstige Einkünfte. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das FG die Klage ab (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.6.2020, 1 K 1190/18, EFG 2021, 646, Haufe-Index 15037611).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen keinen Erfolg.

 

Hinweis

1. Von einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen wurden und werden grundsätzlich Leistungen erfasst, die anlässlich einer Betriebs- oder sonst begünstigten Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Vermögensübergeber vorbehalten worden sind.

2. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind einer lebzeitigen Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen die Versorgungsleistungen gleichgestellt, die ihren Entstehungsgrund in einer letztwilligen Verfügung haben. Hierfür ist allerdings auch Voraussetzung, dass sich der Vermögensübergeber Versorgungsleistungen für die Personen vorbehält, die ihm gegenüber erb- oder pflichtteilsberechtigt sind, d.h. insbesondere der überlebende Ehepartner und Kinder (sog. Generationennachfolge-Verbund).

Dieses Erfordernis beruht darauf, dass nur diese Personen, die gegenüber dem Vermögensübergeber (= Erblasser) zwar erb- und pflichtteilsberechtigt, allerdings rechtlich und tatsächlich nicht am Nachlass beteiligt sind, überhaupt auf erbrechtliche Ansprüche (insbesondere den Pflichtteil gemäß § 2303 Abs. 1 BGB) verzichten können. Sie begnügen sich an dessen Stelle – oft aus übergeordneten Gründen der Erhaltung des Familienvermögens – mit den Versorgungsleistungen aus dem ihnen an sich zustehenden Vermögen. Sie übertragen quasi durch den Verzicht auf die vorgenannten Ansprüche (unentgeltlich) – vergleichbar dem Vermögensübergeber in Fällen der vorweggenommenen Erbfolge – einen Vermögenswert.

3. Der Besprechungsfall unterscheidet sich von den bislang durch den BFH entschiedenen Fällen dadurch, dass der Versorgungsberechtigte als grundsätzlich pflichtteilsberechtigter Abkömmling des Erblassers zwar zu dessen Generationennachfolge-Verbund gehörte, als Nacherbe aber nicht dauerhaft und endgültigauf erbrechtliche Positionen verzichtet hatte. Die testamentarische Einsetzung eines Vorerben schließt den Nacherben nämlich nicht von seiner Erbenstellung aus. Als Nacherbe i.S.v. § 2100 BGB ist seine Erbeinsetzung lediglich zeitlich nachrangig ausgestaltet. Vor- und Nacherbe sind beide Erben desselben Erblassers und derselben Erbschaft und folgen nur zeitlich einander nach.

4. Fehlt es aber an einem Ausschluss von der Erbfolge aufgrund einer Verfügung von Todes wegen, kann auch ein nach § 2303 Abs. 1 BGB begründetes Pflichtteilsrecht nicht bestehen. Damit könnte es – vordergründig – auch an einem notwendigen Verzicht des Pflichtteilsberechtigten zugunsten von Versorgungsleistungen fehlen.

Eine solche Sichtweise berücksichtigt aber nicht, dass der Nacherbe für die – zeitlich ungewisse – Dauer der Vorerbschaft hinsichtlich seines Erbrechts bei wirtschaftlicher Betrachtung beschränkt ist. Sein Anwartschaftsrecht an den Nachlassgegenständen sichert zwar die nacherbrechtliche Stellung, vermittelt für die Phase der Vorerbschaft in Bezug auf die Nutzung des Nachlasses aber keinen wirtschaftlichen Wert. § 2306 Abs. 2 BGB sieht demzufolge die Nacherbenstellung eines Pflichtteilsberechtigten als Beschränkung von dessen Erbeinsetzung an, sodass der Nacherbe gemäß § 2306 Abs. 1 BGBdas Wahlrecht hat, die Nacherbschaft auszuschlagen und an ihrer Stelle den Pflichtteil zu verlangen.

In dem Verzicht auf die Geltendmachung dieses besonderen Pflichtteilsrechts ...

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