rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederkehrende Bezüge aufgrund eines mittels Verfügung von Todes wegen geregelten Vermächtnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Gestaltung des Erblassers, seine Ehefrau zur Vorerbin einzusetzen und seinem Sohn eine an die Mieterträge anknüpfende schwankende Beteiligung an den Erträgen der vererbten Grundstücksbeteiligung zu vermachen, stellt eine Einzelzuwendung eines Vermögensvorteils durch Verfügung von Todes wegen und damit ein Vermächtnis im Sinne der § 1939 BGB und §§ 2147 ff. BGB dar.

2. Die aufgrund des Vermächtnisses geleisteten Zahlungen der Vorerbin sind wiederholt zufließende und auf einem einheitlichen Rechtsgrund, nämlich dem Vermächtnis des Vaters, beruhende Einnahmen, die bei dem Vermächtnisnehmer ungeachtet der Erfassung des Vermächtnisses bei der Erbschaftsteuer als wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG steuerbar sind.

3. Beruhen wiederkehrende Bezüge auf einem mittels Verfügung von Todes wegen geregelten Vermächtnis, so ist für die einkommensteuerliche Behandlung auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Anfalls des entsprechenden Vermächtnisses, also auf den Zeitpunkt der schuldrechtlichen Entstehung des Vermächtnisanspruchs abzustellen.

 

Normenkette

EStG § 22 Nr. 1; BGB §§ 1939, 2147

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.06.2021; Aktenzeichen X R 30/20)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger in den Streitjahren 2014 bis 2016 Einkünfte im Sinne des § 22 Einkommensteuergesetz –EStG– erzielt hat.

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der 1950 geborene Kläger und seine Stiefmutter C… sind an der Grundstücksgemeinschaft D… -straße in E… (Bruchteilsgemeinschaft) zu 25 % (Kläger) und zu 75 % (Stiefmutter) beteiligt. Das Grundstück ist mit einem fremdvermieteten Mehrfamilienhaus bebaut, die Einkünfte der Bruchteilsgemeinschaft werden gesondert und einheitlich festgestellt.

An dieser Grundstücksgemeinschaft war der Kläger schon zu 25 % beteiligt, als sein zu 75 % beteiligter Vater im Jahre 1989 verstarb. Mit notariell errichtetem Testament vom 30.05.1985 hatte der Vater des Klägers seine zweite Ehefrau, die Stiefmutter des Klägers, zur nicht befreiten Vorerbin eingesetzt und dem Kläger mehrere Vermächtnisse zugewandt, unter anderen einen Anspruch gegen die Vorerbin auf Zahlung von 25 % ihrer Einnahmen aus dem genannten Grundvermögen (Ziffer III. 1. des Testaments). Bemessungsgrundlage für die jährliche Ermittlung des genannten Vermächtnisanspruches war danach die Beteiligungsquote der Vorerbin (75 %); von den darauf entfallenden Einkünften erhielt der Kläger mithin in den Streitjahren folgende Beträge:

2014:

17.871,00 EUR

2015:

14.688,00 EUR

2016:

15.244,00 EUR

Diese Beträge berücksichtigte der Beklagte mit Einkommensteuerbescheiden 2014 bis 2016 jeweils als wiederkehrende Bezüge gemäß § 22 Nr. 1 EStG. Mit hiergegen gerichteten Einsprüchen machten die Kläger geltend, die Einnahmen, die aus der Erfüllung des Vermächtnisses resultierten, seien nicht steuerbar im Sinne des EStG. Weder handle es sich um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, da diese allein den Miteigentümern zuzurechnen seien, noch um sonstige Einkünfte in Form von Rentenzahlungen, da es an einem Stammrecht und an gleichmäßigen Bezügen fehle. Auch die Annahme einer dauernden Last und damit wiederkehrender Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG komme nicht in Betracht, da es an dem hierfür typischen Versorgungscharakter der Bezüge fehle. Der Erblasser habe mit der Aussetzung des Vermächtnisses keine Versorgung des Klägers bezweckt, der zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung Beamter auf Lebenszeit (gehobener Dienst) bei der damaligen Bundesbahn gewesen sei. Die Bezüge aus dem Vermächtnis seien auch nicht existenzsichernd. Die Annahme einer dauernden Last scheitere außerdem daran, dass es an einer Abänderbarkeit im Sinne des § 323 Zivilprozessordnung –ZPO– (§ 323 a ZPO n.F.) fehle und damit an einem Merkmal, auf dessen Vorliegen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH– entscheidend abstelle.

Ein von den Klägern beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg angebrachter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung u.a. der Einkommensteuer 2016 wurde mit Beschluss vom 22.03.2018 zum Aktenzeichen 1 V 1038/18 als unbegründet zurückgewiesen. Die Kläger verwiesen hierzu im Einspruchsverfahren ergänzend darauf, dass sich der Beschluss – was die Abänderbarkeit des Vermächtnisses angehe – lediglich auf ein obiter dictum im BFH-Urteil vom 18.10.1994 (IX R 46/88) stütze, was mit dem BFH-Urteil vom 23.11.2016 (X R 16/14) unvereinbar sein dürfte.

Der Beklagte wies die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016 mit Einspruchsentscheidung vom 18.07.2018 als unbegründet zurück. Die streitigen Einnahmen unterlägen als wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG der Einkommensteuer. Eine andere, vorrangige Einkunftsart, zu der die streitigen Einkünfte gehören könnten, sei nicht...

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