Rz. 36

Vorrang der Verrechnungspreisbestimmung mittels Verrechnungspreismethoden

Methodisch setzt die Bewertung des Transferpakets zunächst voraus, dass der Anwendungsbereich des hypothetischen Fremdvergleichs des § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG deshalb eröffnet ist, weil für das Transferpaket (Funktion als Ganzes) keine zuverlässigen Vergleichswerte bestimmt werden können (§ 1 Abs. 3b Satz 1 AStG). Insofern ist die Verrechnungspreisbestimmung vorrangig jeder geeigneten Verrechnungspreismethode zugänglich und die am besten geeignete Verrechnungspreismethode anzuwenden, wenn zuverlässig methodenspezifische Vergleichs­werte bestimmt werden können. Gegenüber der ursprünglichen Fassung der Regelungen zum Transferpaket in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG a. F., die wegen der isolierten Bezugnahme auf § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG a. F. die Anwendung nur des hypothetischen Fremdvergleichs implizierten, wurde gesetzlich klargestellt und liegt auch § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG unverändert zugrunde, dass der tatsächliche Fremdvergleich vorrangig zum Tragen kommt. § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG setzt tatbestandlich den eröffneten Anwendungsbereich des hypothetischen Fremdvergleichs voraus, „weil für die Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) keine Vergleichsdaten festgestellt werden können.“ Diese Tatsache wurde bereits durch § 2 Abs. 1 Satz 1 FVerlV a. F. ausdrücklich bestätigt.

 

Rz. 37

Beschränkter Anwendungsbereich des tatsächlichen Fremdvergleichs

Es ist deshalb auch im Falle einer Funktionsverlagerung zunächst zu prüfen, ob die Bewertung im Rahmen eines tatsächlichen Fremdvergleichs erfolgen kann. Dies gilt insbesondere für Hilfs- oder Routinefunktionen, wie z. B. EDV, Transport und Logistik, Buchhaltung und Cash Management, die auch zwischen fremden Dritten verlagert werden. Routinefunktionen liegen vor, wenn die Funktionsausübung begrenzt ist, nur in geringem Umfang (immaterielle) Wirtschaftsgüter eingesetzt werden und die Aufgabenerfüllung nur geringen Risiken ausgesetzt ist. Für diese Funktionsverlagerungen lassen sich Marktpreise innerhalb gewisser Bandbreiten feststellen, die bei uneingeschränkter, zumindest aber eingeschränkter Vergleichbarkeit vorrangig heranzuziehen sind.[1] Allerdings ist zu berücksichtigen, dass (Routine-) Funktionen gemäß § 1 Abs. 3b Satz 3 AStG jedenfalls dann in den Anwendungsbereich der Regelung des § 1 Abs. 3b Satz 2 AStG, die statt der Gesamt- die Einzelbewertung konzediert, fallen, wenn das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion nur gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und die Verrechnungspreise für die entsprechenden Lieferungen oder Leistungen auf Grundlage der Kostenaufschlagsmethode ermittelt werden (Rz. 20 ff.).

Vor diesem Hintergrund kann der pauschalen Auffassung der Finanzverwaltung nicht zugestimmt werden, dass es "regelmäßig nicht möglich" sei, die Bewertung eines Transferpakets anhand des tatsächlichen Fremdvergleichs durchzuführen. Allerdings ist zu konzedieren, dass der Nachrangigkeit des hypothetischen Fremdvergleichs eine besondere praktische Relevanz nicht zukommen wird, da es in der Praxis regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein wird, die Anforderungen an die uneingeschränkte bzw. eingeschränkte Vergleichbarkeit im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs für die Bewertung eines konkreten Transferpakets zu erfüllen.[2] Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Funktionsverlagerung ein Unternehmensverkauf vorausgeht oder nachfolgt. In der Betriebsprüfungspraxis wird hierzu neuerdings die Auffassung vertreten, dass in Fällen von Unternehmenskäufen mit nachfolgender Funktionsabschmelzung auf den Erwerber der Kaufpreis als Referenz im Rahmen eines tatsächlichen Fremdvergleichs mittels der Preisvergleichsmethode herangezogen werden könnte bzw. müsste und hierzu mittels Anpassungsrechnungen eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit hergestellt werden könnte.[3] Regelmäßig sollten m. E. die Anwendungsvoraussetzungen der Preisvergleichsmethode allerdings mangels Vergleichbarkeit der Verhältnisse, insbesondere der Produkteigenschaften des Unternehmens einerseits und des Transferpakets andererseits, nicht vorliegen.[4]

[1] Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2008, S. 1945 ff.; Greinert, in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 563; Baumhoff/Ditz/Greinert, Ubg 2011, S. 161 ff.
[2] Vgl. Baumhoff, in FS Schaumburg, 2009, S. 546; Günter, WPg 2007, S. 1084; Kaminski, RIW 2007, S. 599; Wulf, DB 2007, S. 2283.
[3] Vgl. Schilling/Kandels, DStR 2012, S. 1099 ff.; Schilling/Kandels, DB 2012, S. 1065.
[4] Vgl. Ditz/Liebchen, DB 2012, S. 1469 ff.

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