Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerpflicht eines Grenzgängers bei Beschäftigung durch Kirche

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einkünfte eines in Frankreich wohnhaften Grenzgängers aus der nichtselbstständigen Beschäftigung bei einer kirchlichen Einrichtung unterliegen der deutschen Besteuerung.

Die Kirchen sind juristische Personen des öffentlichen Rechts im Sinne des Art. 14 DBA Frankreich.

Bei der Tätigkeit eines Erziehers in einem Kindergarten handelt es sich um eine "Tätigkeit in der Verwaltung" im Sinne des Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich.

 

Normenkette

EStG § 39b Abs. 6; DBA Frankreich Art. 13 Abs. 5; DBA FRA Art. 14 Abs. 1; FGO § 100 Abs. 1 S. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.07.2012; Aktenzeichen I R 76/11)

BFH (Urteil vom 11.07.2012; Aktenzeichen I R 76/11)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Einkünfte der Klägerin aus nicht selbstständiger Arbeit vom Lohnsteuerabzug freizustellen sind.

Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz in Frankreich. Der Wohnsitz befindet sich innerhalb der Grenzgänger-Zone gemäß Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich.

Sie arbeitet als Erzieherin in einem konfessionellen Kindergarten in P (Deutschland). Arbeitgeber ist die Evangelische Kirche der Pfalz.

Die Klägerin beantragte am 06.08.2009 die Freistellung vom Lohnsteuerabzug aufgrund der Grenzgänger-Regelung des Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich für das Jahr 2009. Der Beklagte lehnte den Antrag am 20.08.2009 ab mit der Begründung, Art. 14 Abs. 1 DBA Frankreich sei anzuwenden, da es sich bei der Protestantischen Kirchengemeinde um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handele (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 der Weimarer Verfassung).

Ihren dagegen gerichteten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass Art. 14 Abs. 1 DBA Frankreich nicht anwendbar sei. Die Vorschrift beziehe sich nur auf Personen, die Lohn für Dienstleistungen in der Verwaltung bekämen, der vom Land oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gezahlt werde. Sie arbeite - anders als in dem vom FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 02.10.2003 Az. 10 K 309/98 entschiedenen Fall - weder in der Verwaltung noch in einer bürokratischen Struktur. Auch das EuGH-Urteil vom 12.05.1998 - C-336/96 sei auf sie nicht anwendbar.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 28.10.2009 als unbegründet zurückgewiesen. In den Gründen führt der Beklagte aus, Art. 14 DBA Frankreich sei vorrangig und schließe die Anwendung des Art. 13 Abs. 5 aus. Art. 14 DBA Frankreich beinhalte das so genannte Kassenstaatsprinzip, das in Art. 19 OECD-Musterabkommen - OECD-MA - grundlegend formuliert sei. Danach habe der Staat, der die Vergütung zahlt, das Besteuerungsrecht für die im öffentlichen Dienst geleistete Arbeit. Art. 14 DBA Frankreich erfasse alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts; welche Einrichtungen darunter fielen, richte sich nach dem innerstaatlichen Recht des Vertragsstaats. Darunter fielen nach deutschem Recht auch die Kirchen. Unter den Begriff der Tätigkeit in der Verwaltung falle auch unterrichtende Tätigkeit an Schulen und somit auch die Tätigkeit eines Erziehers. Auch diese Tätigkeiten würden in Ausübung von öffentlichen Funktionen erfolgen. Von der Anwendung des Art. 14 DBA Frankreich ausgeschlossen seien nur gewerbliche Tätigkeiten.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, die Sachverhalte, die dem BFH-Urteil vom 23.09.2008 - I R 57/07 und dem Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 02.10.2003 - 10 K 309/98 zugrunde lägen, seien mit ihrem Fall nicht vergleichbar. Als Erzieherin verrichte sie keinerlei verwaltungstechnische Aufgaben, sondern sei aus-schließlich mit der Betreuung der Kinder befasst.

Der Beklagte verkenne außerdem den rechtlichen Status der Kirche. Diese sei zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, im Gegensatz zu staatlichen Einrichtungen aber frei von staatlichen Eingriffen, wie sich aus § 6 Abs. 1 Kirchenverfassung, § 2 Abs. 3 Mainzer Staatsvertrag i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Weimarer Verfassung und Art. 140 GG ergebe. Es gebe auch keine Staatsaufsicht. Aufgrund der Trennung von Kirche und Staat sei ausgeschlossen, dass Staatsaufgaben von kirchlichen Amtsträgern wahrgenommen würden.

Das Steuerrecht müsse sich an diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen messen lassen.

Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung einer kirchlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts als Unternehmer sei auf die Auslegung des DBA nicht übertragbar.

Der Sinn und Zweck des Kassenstaatsprinzips sei es, die Gehälter, die ein Staat für die Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Aufgaben aufwende, auch in diesem Staat zu besteuern. Somit gehe die Besteuerung von Lohnaufwendungen der Kirchen, die gerade nicht Teil des Staates seien, weit über den mit der Vorschrift verfolgten Zweck hinaus.

Daraus, dass es auch Kindergärten in privater Trägerschaft gebe, folge, dass es sich auch bei Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft nicht um hoheitliche Tätigkeiten handele.

Kindergärten gehörten auch nicht zum primären Aufgabenbereich einer Kirche.

Ergänzend w...

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