Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhebung von Säumniszuschlägen; Entrichtung von Steuern per Scheck

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei Auslegung des § 224 AO ist von einer Gesetzeslücke auszugehen, die es gebietet, die Drei-Tages-Fiktion des § 224 Abs. 2 Nr. 1 2. HS in Bezug auf Säumniszuschläge in dem Sinn von "spätestens drei Tage" auszulegen, so dass bei einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem FA kein Säumniszuschlag anfällt, wenn die tatsächliche Gutschrift des Scheckbetrags noch vor dem oder an dem Fälligkeitstag erfolgt.

 

Normenkette

AO § 224 Abs. 2 Nr. 1 2. HS

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.08.2012; Aktenzeichen VII R 71/11)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids über Säumniszuschläge.

Die Klägerin ist als Rechtsanwältin selbständig tätig. Für das III. Quartal 2010 meldete sie Umsatzsteuer (USt) i.H.v. xxx,xx EUR an, welche am 10.11.2010 fällig war. Über den Betrag schrieb sie einen Scheck aus, der am 08.11.2010 beim Finanzamt einging und am 10.11.2010 einem Konto der Finanzverwaltung gutgeschrieben wurde.

Nachdem die Klägerin eine Mahnung über einen Säumniszuschlag von x,xx EUR erhalten hatte, beantragte sie den Erlass eines Abrechnungsbescheids.

Der Beklagte erließ diesen Bescheid am 12.01.2011. Er stellte hierin fest, dass Säumniszuschläge i.H.v. (1 % von xxx EUR =) x,xx EUR entstanden seien. Zur Begründung verwies der Beklagte auf § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO, wonach eine Zahlung bei der Hingabe oder Übersendung von Schecks erst drei Tage nach dem Scheckeingang beim Finanzamt als entrichtet gelte. Im Streitfall sei der Scheck am 08.11.2010 beim Finanzamt eingegangen, weshalb die Zahlung als am 11.11.2010 entrichtet gelte. Da die USt bis zum 10.11.2010 zu zahlen gewesen sei und für Scheckzahlungen gem. § 240 Abs. 3 Satz 2 AO keine Schonfrist gelte, seien Säumniszuschläge für einen Monat entstanden.

Hiergegen hat die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 27.01.2011) Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass eine Säumnis nie bestanden habe und deshalb auch keine Säumniszuschläge angefallen seien. Die USt für das III. Quartal 2010 sei am 10.11.2010 fällig gewesen und der entsprechende Geldbetrag sei auch an diesem Tag auf den Konten der Finanzverwaltung eingegangen.

§ 224 Abs. 1 Nr. 1 AO könne nicht so verstanden werden, dass entgegen nachgewiesener Gutschrift und damit Tilgung eine „Nichttilgung” fingiert werden solle. Der Gesetzgeber habe bestimmt keine Säumnis fingieren wollen, wo keine gegeben sei. Falls doch, sei die Vorschrift wohl verfassungswidrig, es sei denn, man ließe den Nachweis eines früheren Zahlungseingangs zu, z.B. indem die Wortwahl „drei Tage” als „spätestens drei Tage” ausgelegt werde. Diese Auslegung werde auch durch § 47 AO gestützt, wonach eine Steuerschuld bei Zahlung durch Scheck durch die Einlösung des Schecks erlösche. Die Einlösung und endgültige Gutschrift seien bis zum 10.11.2010 erfolgt und die Steuerschuld sei mithin bereits am 10.11.2010 erloschen.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Abrechnungsbescheids vom 12.01.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.01.2011 festzustellen, dass für die USt für das III. Quartal 2010 keine Säumniszuschläge entstanden sind.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dass der Eingang des Schecks am 08.11.2011 edv-mäßig erfasst worden sei und der Scheckbetrag von xxx,xx EUR programmgesteuert zum 11.11.2010 zum Soll gestellt worden sei.

Für die Frage, ob Säumniszuschläge angefallen seien, komme es allein auf den durch die gesetzliche Fiktion des § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO bestimmten Zahlungszeitpunkt an. § 224 Abs. 2 AO definiere bestimmte Zahlungszeitpunkte, um insbesondere die Berechnung von Zinsen und Säumniszuschlägen zu ermöglichen. Dabei werde ausdrücklich zwischen den einzelnen Zahlungswegen unterschieden und definiert, wann die jeweilige Zahlung „als entrichtet” gelte. Für Schecks sei Zahlungstag der dritte Tag nach Hingabe oder Übersendung des Schecks. Der Zeitpunkt der tatsächlichen Gutschrift des Scheckbetrags sei unerheblich.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Finanzamtsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung erfolgt mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Abrechnungsbescheid vom 12.01.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Unrecht festgestellt, dass Säumniszuschläge entstanden seien.

1. Bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Säumniszuschlägen entscheidet ein Abrechnungsbescheid i.S.d. § 218 Abs. 2 AO nicht nur über den Fortbestand der Zahlungsverpflichtung, sondern auch darüber, ob Säumniszuschläge überhaupt und ggf. in welcher Höhe entstanden sind. Damit wird ein zusätzliches Regelungsbedürfnis hinsichtlich des Entstehens von Säumniszuschlägen anerkannt, soweit es einer Überprüfung des Entstehens dieser Säumniszuschläge nach Grund und Höhe b...

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