Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Steuerbefreiung nach §§ 19a, 8 Abs. 2 S. 9 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1) § 8 Abs. 2 S. 9 EStG ist auf den Bezug von Gratisaktien anwendbar, auch wenn diese zugleich von der Freibetragsregelung des § 19a Abs. 1 EStG erfasst werden.

2) "Vorteil" im Sinne des § 19a Abs. 1 EStG ist nur der Wert der unentgeltlich oder verbilligt überlassenen Vermögensbeteiligungen; entgeltlich erworbene Vermögensbeteiligungen sind nicht einzubeziehen.

3) Auch die wegen § 8 Abs. 2 S. 9 EStG nicht zu versteuernden Gratisvermögensbeteiligungen sind in die Ermittlung des Freibetrages nach § 19a Abs. 1 EStG einzubeziehen.

 

Normenkette

EStG § 8 Abs. 2 S. 9, § 19a Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.01.2015; Aktenzeichen VI R 16/12)

BFH (Urteil vom 15.01.2015; Aktenzeichen VI R 16/12)

 

Tatbestand

Streitig ist der Umfang der Steuerfreiheit von Lohnzahlungen in Form von Aktienbezügen gemäß §§ 19a EStG, 8 Abs. 2 EStG.

Die Klägerin (Klin.) ist eine Tochtergesellschaft der … SE (frühere Rechtsform

AG). Sie ist heute eine juristische Person in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), nachdem die Hauptversammlung vom 22.01.2010 die formwechselnde Umwandlung von einer Aktiengesellschaft (AG) in eine GmbH beschloss. Im Unternehmen der Klin. werden insbesondere … produziert.

Um die Mitarbeiter an das Unternehmen der Klin. zu binden und zugleich die Arbeitsmotivation der Mitarbeiter zu steigern, beschloss der Vorstand der Muttergesellschaft der Klin. am 15.09.1998, die Mitarbeiter der Klin. durch Mitarbeiterbeteiligungsprogramme am Grundkapital der Muttergesellschaft der Klin., der damaligen … AG, zu beteiligen. In den Folgejahren sind sodann unterschiedliche Mitarbeiterbeteiligungsprogramme aufgestellt worden, durch welche die Mitarbeiter der Klin. Aktien der … AG zu vorher festgelegten Konditionen erwerben konnten. Dabei waren die Mitarbeiterbeteiligungsprogramme grundsätzlich so ausgestaltet, dass eine lange Haltedauer der Aktien bei gleichzeitig fortdauernder Betriebszugehörigkeit durch die Zuteilung weiterer kostenloser Aktien belohnt wurde. Im Einzelnen existierten in dem Streitzeitraum der Jahre 2001 bis einschließlich 2004 nachfolgend skizzierte Mitarbeiterbeteiligungsprogramme:

2001:

  • Sog. „Plus-Aktienprogramm” (Kauf von Paketen zu je 10 Aktien ohne Verfügungsbeschränkungen; nach einer Haltedauer von 1, 3, 5, 7 und 10 Jahren erhält der Arbeitnehmer – unter der Voraussetzung, dass er noch Arbeitnehmer der Klin ist – jeweils eine Gratisaktie [auch „Incentiv-Aktie” genannt] pro Aktienzehnerpaket. Soweit ein Anspruch auf eine Gratisaktie besteht, wird diese im Juni eines jeden Jahres dem Depot des Arbeitnehmers gutgeschrieben).

2002:

  • Plus-Aktienprogramm wie 2001.
  • Sog. „Doppel-Plus-Aktienprogramm” (Kauf von Paketen zu je 10 Aktien ohne Verfügungsbeschränkung; in den folgenden 10 Jahren erhält der Arbeitnehmer – unter der Voraussetzung, dass er noch Arbeitnehmer der Klin ist und das Aktienpaket noch hält – jährlich eine Gratisaktie [„Incentiv-Aktie”]. Soweit ein Anspruch auf eine Gratisaktie besteht, wird diese im Juni eines eden Jahres dem Depot des Arbeitnehmers gutgeschrieben).

2003:

  • Plus-Aktienprogramm wie 2001.
  • Doppel-Plus-Aktienprogramm wie 2002.
  • Sog. „Start-Plus-Aktienprogramm” (kostenloser Erwerb von 5 Aktien je Arbeitnehmer mit einer Verfügungsbeschränkung [Sperrfrist] von 10 Jahren. Die Einbuchung in das Depot des Arbeitnehmers erfolgte im Monat Mai 2003).

2004:

  • Plus-Aktienprogramm wie 2001.
  • Doppel-Plus-Aktienprogramm wie 2002.
  • Start-Plus-Aktiengrogramm wie 2003.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Mitarbeiterbeteiligungsprogramme wird auf die Erläuterungen in den jeweiligen Schreiben der Klin. an ihre Mitarbeiter vom 01.03.2001, 18.03.2002 und 20.03.2003 Bezug genommen. Soweit für die Aktien von den Mitarbeitern ein Kaufpreis zu zahlen war, erfolgte dies durch Verrechnung mit Gehaltsansprüchen zum Durchschnittskurs am Tag nach der Hauptversammlung der … AG.

Die Gratisaktien aus den Plus- und Doppel-Plus-Aktienprogrammen, welche den Aktiendepots der begünstigten Mitarbeitern jeweils im Juni eines jeden Jahres gutgeschrieben wurden, hatten im Juni 2001 einen Wert von 46,20 EUR, im Juni 2002 einen Wert von 44,23 EUR, im Juni 2003 einen Wert von 38,86 EUR und im Juni 2004 einen Wert von 42,35 EUR – jeweils pro Gratisaktie.

In Bezug darauf, welche Mitarbeiter in den Streitjahren in welchem Umfang an den Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen teilnahmen, wird auf Anlage 7 zum Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 31.10.2005 und die dem Klägerschriftsatz vom 08.12.2011 beigefügten Mitarbeiterlisten verwiesen.

Die Mitarbeiterbeteiligungsprogramme berücksichtigte die Klin. in den Jahren 2001 bis einschließlich 2004 bei der Ermittlung der LSt für die Arbeitnehmer in der Art, dass unter Beachtung der Betragsobergrenze des § 19a Abs. 1 EStG in der jeweils gültigen Fassung (154 EUR in den Jahren 2001 bis 2003 und 135 EUR im Jahr 2004) der sich aus der Überlassung der (Gratis-)Aktien ergebe...

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