Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Abzug eines von einem früheren Erbfall herrührenden Pflichtteilsanspruchs der Erbin gegen den Erblasser als Nachlassverbindlichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Beerbt der Inhaber eines Pflichtteilsanspruchs den mit dem Pflichtteil beschwerten Erben, kann die Pflichtteilsforderung nur dann als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abgezogen werden, wenn sie zu Lebzeiten des mit dem Pflichtteilsanspruch beschwerten nunmehrigen Erblassers gegenüber diesem ernstlich geltend gemacht worden ist und diesen wirtschaftlich belastet hat. Diese Voraussetzungen sind allein durch die Vorlage einer handschriftlichen, vom jetzigen Erblasser stammenden Berechnung des Pflichtteils nicht erfüllt, wenn die Pflichtteilsforderung zum Zeitpunkt des Todes des mit dieser Forderung beschwerten Erblassers bereits verjährt war und der Erblasser bei ernstlicher Geltendmachung des Pflichtteils sein Haus verkaufen hätte müssen, die dafür erforderlichen Schritte bis zu seinem Tod aber nicht unternommen hat (im Streitfall: Vater als Erbe der zuerst verstorbenen Mutter, nach dem Tod der Mutter pflichtteilsberechtigte Tochter als Erbin ihres sechs Jahre nach dem Tod der Mutter verstorbenen Vaters).

 

Normenkette

ErbStG § 10 Abs. 5 Nrn. 1-2, Abs. 3; BGB § 1967 Abs. 2, § 2332 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 15.05.2009; Aktenzeichen II B 155/08)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit einer Pflichtteilsforderung als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).

Der 2004 verstorbene A B (im Folgenden Erblasser) wurde aufgrund gesetzlicher Erbfolge von seiner Tochter – der Klägerin – allein beerbt. Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) erließ am 16. Februar 2006 einen Erbschaftsteuerbescheid, in dem die Erbschaftsteuer i.H.v. 55.125,00 EUR festgesetzt wurde.

Mit Schreiben vom 22. Februar 2006 legte die Klägerin hiergegen Einspruch ein, den sie u.a. damit begründete, dass im Rahmen der Festsetzung der Erbschaftsteuer der Pflichtteilsanspruch der Klägerin gegen den Erblasser nach ihrer 1998 verstorbenen Mutter i.H.v. 111.125,00 EUR zu Unrecht nicht als Nachlassverbindlichkeit bereicherungsmindernd berücksichtigt worden sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 wurde dem Einspruch der Klägerin in einem den Streitfall nicht betreffenden Punkt stattgegeben. Bezüglich der geltend gemachten Nachlassverbindlichkeit in Form des Pflichtteilsanspruchs wurde der Einspruch hingegen als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2006 – eingegangen bei Gericht am 14. Juli 2006 – erhob die Klägerin hiergegen Klage, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet:

Entgegen der Auffassung des FA habe die Klägerin zum einen noch zu Lebzeiten des Erblassers ihren Pflichtteilsanspruch nach ihrer verstorbenen Mutter einige Zeit nach deren Tod mündlich geltend gemacht. Zum Beweis hierfür wird die Kopie einer handschriftlichen Berechnung des Erblassers vorgelegt. Da der Erblasser in der Folgezeit jedoch zwei Herzinfarkte erlitten habe und pflegebedürftig geworden sei, habe die Klägerin von der weiteren Verfolgung ihres Pflichtteilsanspruchs abgesehen, zumal der Erblasser zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs gezwungen gewesen wäre, das Familienwohnheim zu veräußern. Zum anderen bringt die Klägerin vor, dass zwar in zivilrechtlicher Hinsicht mit dem Tod des Erblassers der noch nicht erfüllte Pflichtteilsanspruch durch Konfusion von Anspruch und Verbindlichkeit in der Person der Klägerin erloschen sei, der Anspruch sei jedoch ungeachtet einer mittlerweile eingetretenen Verjährung bis zum Tod des Erblassers erfüllbar gewesen und daher als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Erbschaftsteuerbescheids vom 16. Februar 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 die Erbschaftsteuer i.H.v. 27.445,00 EUR festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des FA wird insbesondere auf den Schriftsatz vom 28. Juli 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Erbschaftsteuer- bzw. Rechtsbehelfsakte des FA, die Gerichtsakte und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. September 2008 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das FA hat zu Recht die Pflichtteilsverbindlichkeit des Erblassers gegenüber der Klägerin im Rahmen der Ermittlung ihres steuerpflichtigen Erwerbs nicht als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG bereicherungsmindernd berücksichtigt.

a) Nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG sind von einem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb als Nachlassverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten ...

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