Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nur bei wirtschaftlicher Belastung

 

Leitsatz (NV)

Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer setzt voraus, dass die Verbindlichkeiten rechtlich bestehen und den Erblasser im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belastet haben.

 

Normenkette

ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG München (Urteil vom 22.09.2008; Aktenzeichen 4 K 2749/06)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Alleinerbin ihres im Oktober 2004 verstorbenen Vaters (V), der seinerseits aufgrund einer Verfügung von Todes wegen Alleinerbe seiner im Juni 1998 verstorbenen Ehefrau, der Mutter (M) der Klägerin, gewesen war.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) lehnte den Antrag der Klägerin, den ihr aufgrund der Enterbung durch M gegen V zustehenden Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen, in der Einspruchsentscheidung mit der Begründung ab, die Klägerin habe den Anspruch gegenüber V nicht ernsthaft geltend gemacht.

Mit der Klage brachte die Klägerin vor, sie habe den Pflichtteilsanspruch zwar gegenüber V geltend gemacht, aber wegen dessen schlechten Gesundheitszustands und Problemen bei der Erfüllung des Anspruchs von der weiteren Verfolgung abgesehen. Dies stehe aber dem Abzug des Anspruchs als Nachlassverbindlichkeit nicht entgegen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die in der Person des Erben erfolgende Vereinigung des aus einem anderen Erbfall herrührenden Pflichtteilsanspruchs des Erben gegen den Erblasser mit der diesem Anspruch gegenüberstehenden Verbindlichkeit schließe zwar gemäß § 10 Abs. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) den Abzug der Pflichtteilsschuld des Erblassers als Nachlassverbindlichkeit nicht generell aus. Der Abzug als Nachlassverbindlichkeit setze aber voraus, dass der Erbe den Anspruch gegen den Erblasser ernstlich geltend gemacht hatte. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Anspruch wie im Streitfall beim Eintritt des Erbfalls bereits verjährt gewesen sei. An einer solchen ernstlichen Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin gegenüber V fehle es im vorliegenden Fall.

Die Klägerin stützt die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Die Klägerin sieht die Rechtsfrage als klärungsbedürftig an, ob es möglich ist, dass der Pflichtteilsberechtigte, der den Pflichtteilsschuldner beerbt hat, den bereits verjährten Pflichtteilsanspruch gegen sich selber geltend macht und als Nachlassverbindlichkeit vom steuerpflichtigen Erwerb in Abzug bringt.

Diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision.

a) Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind vom Erwerb des Erben die vom Erblasser herrührenden persönlichen Verbindlichkeiten, die gemäß § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), § 45 Abs. 1 der Abgabenordnung auf den Erben übergegangen sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Der Abzug setzt voraus, dass die Verbindlichkeiten rechtlich bestehen und den Erblasser im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belastet haben. An dieser wirtschaftlichen Belastung fehlt es, wenn der Erblasser als Schuldner davon ausgehen konnte, die Verpflichtungen unter normalen Umständen nicht selbst erfüllen zu müssen. Mit dem zusätzlichen Erfordernis einer wirtschaftlichen Belastung weicht das Erbschaftsteuerrecht vom Zivilrecht ab (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. Juni 2007 II R 30/05, BFHE 217, 190, BStBl II 2007, 651, m.w.N.). Aufgrund dieser Abweichung ist das von der Klägerin angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Oktober 1986 IVa ZR 143/85 (BGHZ 98, 382), das zur Berechnung eines Pflichtteilsanspruchs ergangen ist, nicht einschlägig.

b) Ob der Erblasser im Todeszeitpunkt mit einer Pflichtteilsschuld wirtschaftlich belastet war, ist eine Frage des Einzelfalls, die der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO verleiht.

c) Im Übrigen ergeben sich weder aus den vom FG getroffenen Feststellungen noch aus dem Vorbringen der Klägerin Anhaltspunkte dafür, dass V bei Eintritt des Erbfalls damit rechnen musste, den Pflichtteilsanspruch der Klägerin erfüllen zu müssen, und dass er deshalb durch den Anspruch wirtschaftlich belastet gewesen sein könnte. Der Anspruch war bereits gemäß § 2332 Abs. 1 BGB verjährt, so dass V die Erfüllung hätte verweigern können (§ 214 Abs. 1 BGB). Die Klägerin hatte zudem von der Verfolgung des Anspruchs gegen V nach ihrem Vortrag wegen dessen schlechten Gesundheitszustands und der Schwierigkeiten bei der Erfüllung des Anspruchs abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2185902

BFH/NV 2009, 1441

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