rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

§ 66 Abs. 3 EStG trifft eine Regelung im Festsetzungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Regelung in § 66 Abs. 3 EStG ist dem Festsetzungsverfahren und nicht dem Erhebungsverfahren zuzuordnen.

 

Normenkette

EStG § 66 Abs. 3, § 52 Abs. 49 S. 7, § 64 Abs. 1-2, § 65 Abs. 1-2, § 66 Abs. 2, § 70 Abs. 1, § 74 Abs. 1; AO §§ 169, 47

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.02.2020; Aktenzeichen III R 26/19)

BFH (Urteil vom 19.02.2020; Aktenzeichen III R 26/19)

 

Tenor

1. Der Bescheid über Kindergeld vom 1. August 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2018 wird geändert. Die Familienkasse wird verpflichtet, das für den Zeitraum August bis November 2017 festgesetzte Kindergeld auszuzahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob es die Beklagte (die Familienkasse) zu Recht gemäß § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgelehnt hat, das für den Streitzeitraum August bis November 2017 festgesetzte Kindergeld auszuzahlen.

Die Klägerin ist irische Staatsangehörige, die im Streitzeitraum über einen Wohnsitz in Deutschland verfügte. Sie ist Mutter des am 11. Juli 2017 geborenen Kindes H. Mit Antrag vom 26. Juni 2018 beantragte sie die Festsetzung von Kindergeld. Mit Bescheid vom 1. August 2018 setzte die Familienkasse Kindergeld für das Kind ab August 2017 bis Juli 2035 fest. Zur Begründung führte sie aus, dass sich das Kind seit 21. August 2017 im Haushalt der Klägerin in Deutschland aufhalte. Weiter führte die Familienkasse in dem Bescheid aus, dass auf Grund der gesetzlichen Änderung des § 66 Abs. 3 EStG Anträge, die nach dem 31. Dezember 2017 eingehen, rückwirkend nur noch zu einer Nachzahlung für die letzten sechs Kalendermonate vor dem Eingang des Antrags bei der Familienkasse führen könnten. Das Kindergeld werde daher erst ab Dezember 2017 gezahlt.

Zur Begründung ihres gegen die Beschränkung der Auszahlung des Kindergelds ab Dezember 2017 eingelegten Einspruchs führte die Klägerin aus, dass in Anbetracht des Umstands, dass der Gesetzgeber bei der Wiedereinführung des § 66 Abs. 3 EStG beim Familienleistungsausgleich des § 31 EStG keine Änderungen vorgenommen habe, mit der verkürzten rückwirkenden Auszahlung des Kindergelds das subjektive Nettoprinzip verletzt werde. Das Existenzminimum des Kindes werde in keiner Weise freigestellt bzw. unzureichend freigestellt, wenn es Zeiträume gebe, wo eine Kindergeldfestsetzung und eine Gegenrechnung des Kindergeldanspruchs im Rahmen des § 31 EStG erfolgten, die Auszahlung des Kindergelds jedoch auf sechs Monate begrenzt werde.

Der Einspruch blieb in der Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2018 ohne Erfolg. Zur Begründung verwies die Familienkasse auf die Regelung des § 66 Abs. 3 EStG in der Fassung vom 23. Juni 2017. Für vor Dezember 2017 liegende Zeiträume bestehe bei einer Antragstellung im Juni 2018 kein Auszahlungsanspruch.

Zur Begründung ihrer Klage, mit der die Klägerin die Auszahlung des Kindergelds für den Streitzeitraum begehrt, führt die Klägerin aus, dass § 66 Abs. 3 EStG nicht dem Erhebungsverfahren, sondern dem Festsetzungsverfahren zuzuordnen sei, wie sich aus dem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 25. Oktober 2018 10 K 141/18, juris, ergebe. Das Kindergeld sei auch für den Streitzeitraum festgesetzt worden. Daran sei die Familienkasse gebunden, auch wenn diese Festsetzung ggf. nicht der Gesetzeslage entsprochen haben sollte. Der Bescheid über Kindergeld vom 1. August 2018 enthalte neben der Kindergeldfestsetzung auch einen Abrechnungsteil, da die Beschränkung der Auszahlung des Kindergelds auf Zeiträume ab Dezember 2017 mit gleichzeitiger Versagung der Auszahlung für den Streitzeitraum eine Entscheidung über die Abrechnung des Kindergelds beinhalte und demgemäß ein Abrechnungsbescheid vorliege. Die Abweichung zwischen Festsetzung des Kindergelds ab August 2017 und dem Abrechnungsbescheid sei rechtswidrig.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid über Kindergeld vom 1. August 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2018 zu ändern und die Familienkasse zu verpflichten, das für den Zeitraum August bis November 2017 festgesetzte Kindergeld auszuzahlen.

Die Familienkasse beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist begründet.

Die angefochtene Nichtzahlungsverfügung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. § 66 Abs. 3 EStG steht der Za...

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