Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung Erbe und Vermächtnisnehmer. Wertansatz des Nießbrauchs. Bindung des hinzugezogenen Verpflichteten bei erfolgreichem Einspruch des Berechtigten. hinreichende Beteiligung am Besteuerungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erhält eine durch letztwillige Verfügung bedachte Person nur einzelne Gegenstände aus dem Nachlass, so ist im Zweifel anzunehmen, dass es sich hierbei nicht um eine Erbeinsetzung, sondern um ein Vermächtnis handelt.

2. Verringert sich der Wertansatz des Nießbrauchs für den Erwerber des Nutzungsrechts, so korrespondiert diese Veränderung i. S. v. § 174 Abs. 4 AO mit dem Wert des Erwerbs durch den infolge des Nießbrauchs belasteten Erwerber der Immobilie.

3. Ist der Einspruch erfolgreich, kommt dem zugunsten des Einspruchsführers ergangenen Steuerbescheid gegenüber dem Hinzugezogenen nur Bindungswirkung zu, wenn Letzterer der Änderung auch zuvor zugestimmt hat. Nur unter diesen Voraussetzungen ist der hinzugezogene Dritte auch i. S. d. Änderungsbefugnis des § 174 Abs. 5 Satz 1 AO am Besteuerungsverfahren des Einspruchsführers hinreichend beteiligt worden.

 

Normenkette

BGB §§ 1922, 1929, 1927, 2087 Abs. 2, §§ 2147, 133; AO § 174 Abs. 4, 5 S. 1; ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 5

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte bei der Ermittlung des Wertes des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes des Klägers bestehende Bankkreditschulden sowie eine gegen den Kläger festgesetzte Grunderwerbsteuer zu Recht außer Ansatz gelassen hat.

Die bis zu ihrem Tode … (im Ausland) … lebende …. Erblasserin verstarb am 1. Juni 2010. In ihrem privatschriftlichen Testament vom 22. Juli 2008 hatte sie in Bezug auf ihr in Deutschland befindliches Vermögen eine Reihe von letztwilligen Verfügungen getroffen, die sie teilweise als Erbeinsetzung und teilweise als Vermächtnisse bezeichnete. Als Erbeinsetzungen bezeichnete die Erblasserin die Verfügungen in Bezug auf vier in X befindliche Eigentumswohnungen sowie auf ihr Kapitalvermögen. Danach sollten A, B und C jeweils eine bestimmte Eigentumswohnung erhalten. Die ihr auch gehörende, in X befindliche Wohnung Nr. 11 sollten der ebenfalls im Testament der Erblasserin als Erbe bezeichnete Kläger und sein Bruder … – beides Großneffen der Erblasserin – je zur Hälfte erhalten. Des Weiteren verfügte die Erblasserin wiederum unter ausdrücklicher Bezeichnung als Erbeinsetzung, dass D, die Mutter des Klägers und seines Bruders, 20%, E 30%, F 30% und A 20% ihres in Deutschland befindlichen Kapitalvermögens erhalten sollten. Darüber hinaus bestimmte die Erblasserin ausdrücklich noch zwei Vermächtnisse. Insbesondere hatte die Erblasserin den Kläger und seinen Bruder mit dem Vermächtnis beschwert, E, der … (im Ausland) … lebenden Nichte der Erblasserin und Tante des Klägers und seines Bruders, an der gemeinsam erhaltenen Wohnung Nr. 11 den Nießbrauch gewähren zu müssen. Schließlich ordnete die Erblasserin zum Vollzug dieser sowie ihrer übrigen hier nicht klagegegenständlichen letztwilligen Verfügungen Testamentsvollstreckung an und bestimmte ihren Bruder G zum Testamentsvollstrecker. Die den Kläger und seinen Bruder betreffende Verfügung wurde in der Weise umgesetzt, dass G in Ausübung einer ihm von der Erblasserin noch zu ihren Lebzeiten erteilten Vollmacht durch notarielle Urkunde vom 6. April 2011 das Eigentum an der besagten Wohnung Nr. 11 unentgeltlich auf den Kläger und seinen Bruder zu je ½ übertrug. In derselben Urkunde wurde E in der Weise der Nießbrauch an der Wohnung Nr. 11 eingeräumt, dass sie sämtliche Nutzungen hieraus zu ziehen berechtigt und sämtliche auf der Immobilie ruhenden privaten und öffentlichen Lasten einschließlich der außerordentlichen öffentlichen Lasten zu tragen verpflichtet wurde. Die auf der Wohnung Nr. 11 lastenden Grundpfandrechte waren zu diesem Zeitpunkt unstreitig noch mit einem Betrag von 31.630 EUR valutiert. Abschnitt V Nr. 4. der notariellen Urkunde sah die Übernahme dieser Grundpfandrechte durch den Kläger und seinen Bruder vor, wobei die Übernahme der persönlichen Haftung ausdrücklich ausgeschlossen war. Nachdem das Finanzamt M gegen den Kläger aufgrund der notariellen Urkunde vom 6. April 2011 zunächst mit Bescheid vom 6. Oktober 2011 Grunderwerbsteuer in Höhe von 1.685 EUR festgesetzt hatte, setzte es schließlich auf die Einwendungen des Klägers hiergegen die Grunderwerbsteuer mit geändertem Bescheid vom 25. August 2015 auf 0,– EUR herab. Das Finanzamt stellte den Grundbesitzwert des auf den Kläger entfallenden Hälfteanteiles an der Wohnung Nr. 11 zum Erwerbszeitpunkt mit Bescheid vom 30. August 2012 auf 59.823 EUR fest. Mit Erbschaftsteuerbescheiden jeweils vom 13. Juni 2013 setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer der E wegen des erworbenen Nießbrauches auf 20.540 EUR und die des Klägers wegen des mit dem Nießbrauch belasteten Wohnungsanteiles auf 0,– EUR fest. Den hierbei berücksichtigten Wert des erbschaftsteuer-rechtlichen Er...

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