Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert: Berücksichtigung zukünftiger Auswirkungen nach § 52 Absatz 3 Satz 2 GKG

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein Antrag entfaltet "offensichtlich absehbare Auswirkungen" auf künftige Verwaltungsakte, wenn ohne umfangreiche Prüfung und aufwändige Überlegungen, d.h. auf den ersten Blick erkennbar ist, dass der konkret verwirklichte Sachverhalt auch die Höhe zukünftiger Steuerfestsetzungen beeinflusst.

2) Nicht ausreichend ist es, wenn dieselbe rechtliche Problematik zwar in zukünftigen Zeiträumen auftritt, die Verwirklichung des entsprechenden konkreten Sachverhalts aber nicht hinreichend sicher absehbar ist.

3) Dass der genaue Betrag der offensichtlich absehbaren Auswirkungen seinerseits nicht offensichtlich sein mag, ist für die Anwendung des § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG unschädlich; es reicht aus, wenn er ohne Schwierigkeiten anhand der Steuerakten für die Folgejahre ermittelbar ist.

4) Der Begriff der "Auswirkungen" ist nicht i.S. einer rechtlichen Bindungswirkung zu verstehen, sondern setzt lediglich faktische Auswirkungen für die Folgejahre voraus.

 

Normenkette

GKG § 52 Abs. 3 S. 2

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über den im Rahmen der Kostenfestsetzung zugrunde zu legenden Streitwert.

Der Erinnerungsführer hatte im Verfahren 6 K 2767/13 am 30.08.2013 Klage gegen den Erinnerungsgegner wegen Einkommensteuer für 2011 und 2012 erhoben und geltend gemacht, dass das beklagte Finanzamt Zinsen aus einem hypothekarisch gesicherten Angehörigen-Darlehen zu Unrecht nicht dem Abgeltungssteuersatz des § 32d Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterworfen habe. Zur Begründung machte er u.a. geltend, dass kein Ausschlussgrund nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) EStG gegeben sei.

Bezüglich der Einkommensteuer für den auf die Streitjahre folgenden Veranlagungszeitraum 2013 hatte der Erinnerungsgegner ebenfalls bereits einen Bescheid erlassen. In diesem hatte er die Zinsen aus dem hypothekarisch gesicherten Angehörigen-Darlehen entsprechend der Behandlung in 2011 und 2012 wiederum nicht mit dem Abgeltungssteuersatz besteuert, weshalb der Erinnerungsführer den Einkommensteuerbescheid für 2013 mit dem Einspruch angegriffen hatte. Das diesbezügliche Einspruchsverfahren ruhte jedoch zunächst im Hinblick auf das anhängige Klageverfahren 6 K 2767/13 betreffend Einkommensteuer 2011 und 2012.

Mit Urteil vom 14.05.2014 (VIII R 31/11, BStBl II 2014, 995) äußerte sich sodann der BFH zum Begriff der „nahestehenden Person” i.S.d. § 32d Abs. 2 EStG und legte diesen einschränkend aus. Im Nachgang dazu wiesen die Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers mit einem an den Erinnerungsgegner gerichteten außergerichtlichen Schreiben vom 21.08.2014 auf das vorgenannte BFH-Urteil und dessen Inhalt hin, äußerten die Ansicht, dass der vorliegenden Klage in Anwendung des genannten Urteils stattzugeben sein dürfte und baten um Prüfung der Möglichkeit einer außergerichtlichen Erledigung durch Abhilfe. Der Erinnerungsgegner half dem Klagebegehren des Erinnerungsführers daraufhin durch Erlass entsprechender Änderungsbescheide für die Streitjahre 2011 und 2012 vom 12.02.2015 ab. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit nachfolgend übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Durch Beschluss des Berichterstatters vom 13.03.2015 wurden die Kosten des Verfahrens gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO dem Erinnerungsgegner auferlegt.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 07.05.2015 beantragte der Erinnerungsführer durch seine Prozessbevollmächtigten, die ihm aufgrund des Beschlusses vom 13.03.2015 durch den Erinnerungsgegner zu erstattenden Aufwendungen – ausgehend von einem Gegenstandswert von 9.021 € – wie folgt festzusetzen:

I. Vorverfahren

(durchgeführt durch …)

20/10-Geschäftsgebühr, § 40 Abs. 1 StBVV

972,00 €

3/10-Erhöhungsgebühr, § 40 Abs. 3 StBVV

145,80 €

Post-/Telekommunikationspauschale, § 16 StBVV

20,00 €

Summe

1.137,80 €

II. Klageverfahren

(durchgeführt durch die Prozessbevollmächtigten)

1,6-Verfahrengebühr, §§ 2, 13 RVG, Nr. 3200 VV RVG

892,80 €

1,2-Terminsgebühr, §§ 2, 13 RVG, Nr. 3101 VV RVG

609,60 €

1,3-Erledigungsgebühr, §§ 2, 13 RVG, Nr. 1004, 1002 VV

RVG

725,40 €

Post-/Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Summe

2.307,80 €

Zwischensumme

3.445,60 €

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

654,66 €

Endsumme

4.100,26 €

Den zugrunde gelegten Gegenstandswert von 9.021 € berechneten die Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers dabei wie folgt:

Steuerminderung 2011

1.514,00 €

Steuerminderung 2012

1.493,00 €

Summe

3.007,00 €

Streitwertanhebung gem. § 53 Abs. 3

Satz 2 des Gerichtskostengesetzes

(GKG): 3 × 3.007 € =

Endsumme

9.021,00 €

Mit Schreiben vom 05.06.2015 erwiderte der Erinnerungsgegner hierauf, seiner Ansicht nach blieben ungeachtet des § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG die Auswirkungen auf spätere Veranlagungszeiträume wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung unberücksichtigt. Damit ergebe sich ein Streitwert von 3.007 €. Ferner sei die geltend gemachte Terminsgebühr nicht angefallen, da im Verf...

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