Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung von fiktiven Zinseinnahmen aufgrund der unentgeltlichen Überlassung von Fremdkapital an eine ausländische Gesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die eigenkapitalersetzende unentgeltliche Kapitalüberlassung stellt sich wirtschaftlich als Gesellschafterbeitrag und nicht als nach § 1 AStG zu korrigierende Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches dar.
  2. Für die Zurechnung von fiktiven Zinseinnahmen gemäß § 1 AStG bei entsprechenden grenzüberschreitenden Sachverhalten fehlt es daher an einer Geschäftsbeziehung i. S. d. § 1 Abs. 4 AStG.
  3. Für eine einschränkende Auslegung von § 1 Abs. 4 AStG a. F. spricht auch der anderenfalls zu besorgende Verstoß gegen die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit des EG-Vertrages.
  4. In der Differenzierung des § 1 Abs. 4 AStG in der Fassung des StVergAbG zwischen schuldrechtlicher und gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung liegt keine bloße Klarstellung, sondern eine konstitutive Änderung.
 

Normenkette

AStG § 1 Abs. 1, 4; OECD-MA Art. 9; EG Art. 43 Abs. 1 S. 2, Art. 56 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 29.04.2009; Aktenzeichen I R 26/08)

BFH (Beschluss vom 29.04.2009; Aktenzeichen I R 26/08)

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Zurechnung von fiktiven Zinseinnahmen nach § 1 Außensteuergesetz AStG.

Der Kläger ist zu 75 % an der A Ltd. in Großbritannien beteiligt. Die A Ltd. ist eine Gesellschaft nach britischem Recht mit Sitz in Großbritannien. Das Stammkapital der A Ltd. beträgt 2 £. Die A Ltd. betreibt Landwirtschaft auf einem Farmgelände, das sie von der B AG mit Sitz in der Schweiz gepachtet hat.

Der A Ltd. wurden bei der Gründung (16. August 1982) zinslose Gesellschafterdarlehen in Höhe von 120.000 £ aus dem Privatvermögen ihrer Gesellschafter gewährt. Der Anteil des Klägers betrug 90.000 £ (200.000 DM). Ein schriftlicher Darlehensvertrag wurde nicht geschlossen. Sicherheiten wurden nicht gestellt.

Nach einer Außenprüfung rechnete der Beklagte dem Kläger unter Berufung auf § 1 AStG fiktive Zinseinnahmen von 9.000 DM im Streitjahr 1996 zu. Der Beklagte legte hierbei in Abstimmung mit dem Kläger einen Zinssatz von 4,5 % zu Grunde. Der Einkommensteuerbescheid wurde von den Klägern nicht angefochten. Die Einkommensteuer für das Jahr 1996 belief sich auf 510.147,10 EUR.

Im Jahr 2004 erließ der Beklagte auf Grund eines Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus einer anderen Beteiligung des Klägers nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung AO einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 1996, in dem er die Steuer auf 511.083,79 EUR heraufsetzte. Die Kläger beantragten nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO vor Ablauf der Einspruchsfrist die Änderung dieses Bescheides und die Saldierung der vorgenommenen Erhöhung mit den zugerechneten fiktiven Zinseinnahmen nach § 177 AO. Sie vertraten die Auffassung, die Hinzurechnung der fiktiven Zinseinnahmen nach § 1 AStG verstoße gegen EG-Recht. Der Beklagte lehnte diese Änderung ab mit der Begründung, die Zurechnung der Zinsen sei nach § 1 AStG zu Recht erfolgt.

Die Kläger haben hierauf Klage erhoben. Sie vertreten die Auffassung, die Voraussetzungen des § 1 AStG für eine Hinzurechnung von fiktiven Zinseinnahmen seien nicht erfüllt. Die erfolgte unentgeltliche Fremdkapitalüberlassung sei als ein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster Gesellschafterbeitrag zu sehen und keine Leistung im Rahmen einer „Geschäftsbeziehung”. Nach dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit habe ein Gesellschafter das Recht, Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung zu stellen. So wie ein Gesellschafter als Geschäftsführer für seine Gesellschaft unentgeltlich oder teilentgeltlich tätig werden könne, könne er auch Fremdkapital teilentgeltlich oder unentgeltlich überlassen. Dem entsprechend habe auch der Bundesfinanzhof BFH in seinemUrteil vom 29. November 2000 (I R 85/99, amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH BFHE 194,57) bestimmte hybride Formen der Gesellschafterfremdfinanzierung, die der Eigenkapitalzufuhr nahe stehen, aus dem Begriff der „Geschäftsbeziehung” des § 1 AStG ausgenommen. Auf dieses Urteil habe die Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass reagiert (BMF vom 17. Oktober 2002 IV B 4S 134114/02, Bundessteuerblatt BStBl I 2002, 1025) und eine Gesetzesänderung veranlasst (Wassermeyer in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff Außensteuerrecht, § 1 Abs. 1 AStG Rdnr. 222.1). Im Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 16. Mai 2003 (Bundesgesetzblatt BGBl I 2003, 660) sei § 1 Abs. 4 AStG dahin geändert worden, dass nunmehr Geschäftsbeziehung im Sinne der Abs. 1 und 2 jede „schuldrechtliche” Beziehung sei, die keine gesellschaftsrechtliche Vereinbarung darstelle. Hierin sei eine Verschärfung der Regelung zur Einkünfteberichtigung zu sehen (so auch Rödder Deutsches Steuerrecht DStR 2003, 816; Wassermeyer in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 1 Abs. 1 AStG Rdnr. 912) und nicht lediglich eine Klarstellung. Vor 2003 habe jede Beziehung Gegenstand einer Geschäftsbeziehung sein können. Da d...

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