Entscheidungsstichwort (Thema)

Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur Befreiung von kleinen Stromerzeugern von der Mineralölsteuer nach dem Europarecht

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Anspruch auf Mineralölsteuervergütung gem. Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der RL 2003/96 wird bei kleinen Stromerzeugern (Anlagen mit einer Nennleistung von bis zu zwei Megawatt) durch die gleichzeitig gewährte Stromsteuerbefreiung gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG ausgeschlossen. Dies ergibt sich unmittelbar aus Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 Satz 2 der RL 2003/96/EG.
  2. In Anbetracht dieser Rechtslage bedurfte es im Kalenderjahr 2004 keines besonderen Umsetzungsaktes des deutschen Gesetzgebers.
  3. Unerheblich ist hierbei, in welchem Unfang sich die Steuerbefreiung für den Strom und die – erst durch das EnergieStG 2006 deutlich abgesenkte – Steuerbelastung für die zu seiner Erzeugung verwendeten Energieerzeugnisse auswirken.
 

Normenkette

RL 2003/96/EG Art. 14 Abs. 1 Buchst. a S. 1, Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 S. 2; StromStG §§ 3, 9 Abs. 1 Nr. 3; MinöStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; EnergieStG § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2004, 2005, 2006

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.12.2009; Aktenzeichen VII R 48/08)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Betreiberin des Flughafens A. Zur Bordstromversorgung von Flugzeugen unterhält sie Bodenstromaggregate, mit denen Strom erzeugt wird. Die Nennleistung der Bodenstromaggregate beträgt weniger als zwei Megawatt. Für die Erzeugung des Stroms verwendete sie im Kalenderjahr 2004 insgesamt 585.642 Liter versteuertes Gasöl.

Am 30. Dezember 2005 beantragte die Klägerin beim beklagten Hauptzollamt für das Kalenderjahr 2004 die Vergütung der in dem Kaufpreis für das Gasöl enthaltenen Mineralölsteuer. Zur Begründung ihres Antrags bezog sie sich auf Artikel 14 Absatz 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96/EG (Richtlinie 2003/96) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl EU Nr. L 283/51). Das beklagte Hauptzollamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. Januar 2006 ab und führte aus, das noch geltende Mineralölsteuergesetz (MinöStG) sehe für die Verwendung von versteuertem Gasöl zur Stromerzeugung keine Vergütung der Steuer vor. Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 entfalte keine unmittelbare Wirkung.

Den hiergegen von der Klägerin eingelegten Einspruch wies das beklagte Hauptzollamt mit Entscheidung vom 31. März 2006 zurück.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage geltend gemacht, sie könne sich auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 berufen, weil diese Bestimmung inhaltlich unbedingt sei. Das beklagte Hauptzollamt hat demgegenüber vorgetragen, Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 entfalte keine unmittelbare Wirkung, weil die Bestimmung nicht inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sei. Den Mitgliedstaaten sei die Möglichkeit verblieben, Energieerzeugnisse aus umweltpolitischen Gründen zu besteuern.

Der Senat hat mit Beschluss vom 27. April 2007 das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) um eine Vorabentscheidung zu der Frage ersucht, ob Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 dahin auszulegen sei, dass sich ein Unternehmen, das versteuertes Gasöl zur Stromerzeugung verwendet habe und einen Antrag auf Vergütung der Steuer gestellt habe, unmittelbar auf diese Bestimmung berufen könne. Der EuGH hat mit Urteil vom 17. Juli 2008 Rs. C-226/07 entschieden, dass Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 insoweit unmittelbare Wirkung entfalte, als er für bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse eine Befreiung von der nach dieser Richtlinie vorgesehenen Besteuerung vorsehe, so dass sich ein Einzelner vor den nationalen Gerichten – für einen Zeitraum, in dem der betreffende Mitgliedstaat diese Richtlinie nicht fristgerecht in sein innerstaatliches Recht umgesetzt hat – unmittelbar auf diese Bestimmung berufen könne, damit eine mit ihr unvereinbare nationale Regelung unangewandt bleibe und er die Erstattung einer unter Verstoß gegen diese Bestimmung erhobenen Steuer erwirken könne.

Die Klägerin trägt vor: Ihrem Vergütungsbegehren stehe Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 Satz 2 der Richtlinie 2003/96 nicht entgegen. Der deutsche Gesetzgeber habe die Bestimmungen der Richtlinie 2003/96 nicht durch § 9 Abs. 1 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) in der Fassung des Art. 18 des Gesetzes vom 29. Dezember 2003 (BGBl I, 3076, 3087) umgesetzt. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen und zur Änderung des Stromsteuergesetzes vom 15. Juli 2006 (BGBl I, 1534) habe es an einem vollständigen Umsetzungsakt des deutschen Gesetzgebers gefehlt. Mit diesem Gesetz habe sich der Gesetzgeber zu einer deutlichen Absenkung der Besteuerung von zur Erzeugung von Strom verwendeten Energieerzeugnissen entschieden. Für die Erzeugung einer Megawattstunde Strom mit den Bodenstromaggregaten benötige...

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