Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Heranziehung eines Haftungsschuldners für Säumniszuschläge ab Sequestration des Hauptschuldners

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Geschäftsführer darf nicht für Säumniszuschläge zur Steuerschuld in Haftung genommen werden, die ab dem Zeitpunkt des Eintritts der nachweislichen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der GmbH als Hauptschuldner entstanden sind und dieser daher zu erlassen gewesen wären.
  2. Die akzessorische Haftung für Säumniszuschläge entfällt demgemäß in voller Höhe mit der Anordnung der Sequestration, wenn im Anschluss hieran (nach 8 Monaten) die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Steuerschuldners mangels Masse abgelehnt wird.
 

Normenkette

AO §§ 69, 191 Abs. 1 S. 1, § 240 Abs. 1 S. 1

 

Streitjahr(e)

1997

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.11.2004; Aktenzeichen VII R 8/04)

BFH (Urteil vom 16.11.2004; Aktenzeichen VII R 8/04)

 

Tatbestand

Der Kläger war seit November 1990 alleiniger Geschäftsführer der GmbH (GmbH). Am 12.8.1996 beantragte er die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH, am 13.8.1996 wurde die Sequestration angeordnet, am 25.4.1997 wurde die Eröffnung des Konkurses mangels Masse abgelehnt und am 4.12.1997 wurde die GmbH wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.

Der Beklagte ersuchte in der Folgezeit den Kläger mehrfach erfolglos um Auskunft über Bestand, Zugang und Abfluss von liquiden Mitteln sowie die Entwicklung des Bestandes von Forderungen und Verbindlichkeiten im Haftungszeitraum.

Mit Bescheid vom 21.10.1997 nahm der Beklagte den Kläger wegen rückständiger Steuern und Säumniszuschlägen der GmbH in Höhe von 264.420 DM in Haftung. Im Einspruchsverfahren wurde die Haftungssumme auf 120.680,98 DM verringert, unter anderem deswegen, weil der Beklagte aufgrund abgegebener Körperschaftsteuererklärungen eine Haftungsinanspruchnahme des Klägers für Körperschaftsteuer der Jahre 1993 und 1994 nicht mehr für ermessensgerecht hielt. Die Haftung für Lohnsteuern und Umsatzsteuern wurde hingegen mit Ausnahme der Umsatzsteuerabschlusszahlung für das Jahr 1995 vollumfänglich aufrecht erhalten, unter anderem unter Hinweis auf das Gutachten des Sequesters, demzufolge am 13.8.1996, dem Tag der Sequestration bei Zahlungseingängen von 6.420 DM noch Barauszahlungen in Höhe von 34.230,69 DM erfolgt seien. Die Haftung für den Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 7/96 nahm der Beklagte zurück, außerdem nahm er den Kläger ab dem Zeitpunkt der Sequestration nur noch für 50 % der entstanden Säumniszuschläge in Haftung.

Mit der dagegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor:

Nach dem Urteil des BFH vom 25.2.1997 (VII R 15/96) erfasse ein Haftungsbescheid keine Säumniszuschläge.

Der Beklagte habe eine Lebensversicherung in Höhe von 17.184,27 DM gepfändet, es sei nicht klar, wie dieser Betrag verrechnet worden sei.

Der Kläger habe einen Anspruch auf Vorsteuerrückerstattung in Höhe von 54.130,44 DM.

Ausreichende Mittel zur Tilgung aller Verbindlichkeiten hätten nicht zur Verfügung gestanden.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 27.10.1997 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor:

Der Vorsteuererstattungsanspruch bestehe nicht. Die Lebensversicherung sei auf ältere Rückstände des Klägers verrechnet worden.

Mit Verfügung gem. § 79 b FGO hat das Gericht den Kläger erfolglos aufgefordert, den Bestand an liquiden Mitteln und an Verbindlichkeiten Anfang März des Jahres 1994,den Zugang liquider Mittel und von Verbindlichkeiten in der Zeit von März 1994 bis einschließlich Mai 1996, die Verwendung der im März 1994 vorhandenen und im Haftungszeitraum zugeflossenen liquiden Mittel und den Bestand an liquiden Mitteln und Verbindlichkeiten Ende Mai 1996 darzulegen und nachzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat in Höhe von 6.314 DM Erfolg.

1. Der Haftungsbescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs.1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung), als der Beklagte den Kläger für Säumniszuschläge in Haftung genommen hat, die nach dem Zeitpunkt der Sequestration entstanden sind.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ist eine Heranziehung des Haftungsschuldners gemäß §§ 69,191 Abs. 1 AO für Säumniszuschläge, die ab dem Zeitpunkt des Eintritts der nachweislichen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners entstanden sind, unzulässig (Urteile des BFH vom 25.2.1997 VII R 15/96 Bundessteuerblatt -BStBl.- II 1998,2; vom 4.1.1996 VII B 209/95 Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1996,526; vom 24.1.1989 VII B 188/88 BStBl. II 1989,315; vom 26.7.1989 BStBl. II 1988,859; jeweils mit weiteren Nachweisen). Begründet wird dies mit der Akzessorietät der Haftungsschuld von der Hauptschuld. Da dem Hauptschuldner die nach Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit entstandenen Säumniszuschläge wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen wären, weil ihm die rechtzeitige Zahlung unmöglich war und deshalb...

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