Entscheidungsstichwort (Thema)

Verneinung der Grenzgängereigenschaft nach DBA Schweiz ohne Einzelaufstellung der Nichtrückkehrtage. Einkommensteuer 1994

 

Leitsatz (amtlich)

Auf die Einzelaufstellung der Tage, an denen ein Arbeitnehmer nicht an seinen Familienwohnsitz in Deutschland zurückgekehrt ist (Vordruck GRE 3), kann bei der Prüfung des Grenzgängerstatus i.S. des DBA-Schweiz verzichtet werden, wenn der Steuerpflichtige bereits vor Abschluss des Anstellungsvertrags zur Begründung eines Wohnsitzes in der Schweiz aufgefordert wurde, er dort während der Arbeitstage auch wohnen musste und er nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nur an den Wochenenden nach Deutschland zurückgekehrt ist (im Streitfall: Wegstrecke zwischen den Wohnungen von 114 km einfach).

 

Normenkette

DBA CHE Art. 15a Abs. 2, 1, Art. 15

 

Tenor

I. Der Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 27. August 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 1997 wird ausgehend davon, daß der Kläger nur für die Zeit von 01.01. – 31.03.1994 als Grenzgänger der deutschen Besteuerung unterliegt, abgeändert. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem FA übertragen.

II. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern zu 1/10 und dem beklagten Finanzamt zu 9/10 auferlegt.

III. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

IV. Das Urteil ist hinsichtlich der dem Finanzamt auferlegten Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Finanzamt wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, sofern die Kläger nicht ihrerseits Sicherheit leisten.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger als sog. Grenzgänger im Inland der Besteuerung unterliegt.

Der Kläger, der von Beruf Diplom-Chemiker ist, war in der Zeit vom 01. Januar 1990 bis 31. März 1994 bei der Fa. AG in B als Produkteverantwortlicher für Analysegeräte der US-Firma D beschäftigt. Seine Tätigkeit umfaßte den Verkauf, die Beratung, das Gerätetraining und die Außentätigkeit für die gesamte Schweiz. Im Herbst 1993 beschloß die D die Zusammenarbeit mit der Fa. S AG zu beenden und eine eigene Tochtergesellschaft in O Schweiz zu gründen. Der Kläger, dem deshalb von seinem bisherigen Arbeitgeber gekündigt wurde, bewarb sich daraufhin bei der schweizerischen Tochtergesellschaft in Olten.

Nach seinen Angaben stellte die D bei seinem Vorstellungsgespräch im Oktober 1993 klar, daß eine tägliche Anreise von F aus inakzeptabel sei und er deshalb eine Wohnung in O nehmen müsse. Die D habe, nachdem er seine Bereitschaft hierzu erklärt hätte, eine Arbeitserlaubnis sowie eine Jahresaufenthaltsbewilligung, sog. B-Bewilligung, für ihn beantragt. Er habe daraufhin ab 01. März 1994 eine Wohnung in O angemietet. Eine entsprechende Verpflichtung zur Wohnungnahme in der Schweiz sei in den Anstellungsvertrag vom 30. März 1994 nicht aufgenommen worden, da die Bedingungen hierfür zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schon erfüllt gewesen seien.

Zur Arbeitszeit ist in dem Mitarbeiterreglement, das Bestandteil des Arbeitsvertrages ist, in Art. 6 geregelt, daß die tägliche Arbeitszeit im Rahmen der 40 Stundenwoche sich von 8.00 bis 12.00 Uhr und von 13.00 bis 17.00 Uhr bzw. von 8.30 bis 12.00 Uhr und von 13.00 bis 17.30 Uhr erstreckt. Ausnahmen und besondere Regelungen im individuellen Arbeitsvertrag bleiben vorbehalten. Eine allfällige Entschädigung für Überzeitarbeit ist im Jahressalär eingebaut. Eine besondere Regelung ist im Anstellungsvertrag des Klägers nicht enthalten.

In der Einkommensteuer – (ESt-)Erklärung für das Streitjahr machte der Kläger für den Zeitraum 01.01.1994 bis 31.03.1994 – unter Vorlage einer Bescheinigung der S AG – auf nicht amtlichen Vordruck – insgesamt 17 Nichtrückkehrtage geltend. Für den Zeitraum 01.04.1994 bis 31.12.1994 vertrat er hingegen die Auffassung, daß er als Inhaber der B-Bewilligung mit Wohnsitz in der Schweiz nicht Grenzgänger sei und sich deshalb eine Grenzgängerbescheinigung seiner Arbeitgeberin erübrige. Auf Aufforderung des Finanzamtes (FA) reichte der Kläger eine Grenzgängerbescheinigung der D auf dem amtlichen Vordruck GRE 3 mit dem Sichtvermerk der kantonalen Steuerverwaltung S nach. Darin ist unter Hinweis auf die dem FA bereits zugeleitete Wohnsitzbescheinigung ausgeführt, daß der Kläger an mehr als 45 Tagen aufgrund seiner Arbeitsausübung nicht an den Wohnsitz (in F) zurückgekehrt ist. Auf der Rückseite ist die Aufforderung zur „Einzelaufstellung der Tage der Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung” durchgestrichen und hierzu vermerkt, daß die Bescheinigung des schweizerischen Wohnsitzes dem FA F vorliege.

Mit Bescheid vom 27. August 1994 stellte sich das FA demgegenüber auf den Standpunkt, daß der Kläger als Grenzgänger im Inland der Besteuerung unterliege, da er in F einen Wohnsitz habe. Die 60-Tagesgrenze sei nicht überschritten, weil die tägliche Rückkehr zum Wohnort zumutbar erscheine.

Im Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, sein jetziger schweizeri...

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