Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen Genussrecht und stiller Beteiligung. Einkommensteuer 1998

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Zeichnung von „Genussscheinen” im Rahmen eines Kapitalanlagemodells einer auf den Bermudas ansässigen Fondsgesellschaft (hier: Modell „Global Futures Fund I Limited”) ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als stille Beteiligung i.S. der §§ 230 ff. HGB zu werten, wenn unter anderem

  • die Fondsgesellschaft durch ihren Handel an den internationalen Interbankdevisen- und Finanzterminmärkten eine selbständige, planmäßige und mit Gewinnabsicht verfolgte Tätigkeit handelsgewerblicher Art ausübt,
  • die Einzahlung des Anlegers gegen Gewinn- und Verlustbeteiligung erfolgt und in das Vermögen der Fondsgesellschaft gelangt, die Anleger zu keinen Nachschüssen verpflichtet sind,
  • die Fondsgesellschaft die Einzahlungen unabhängig von Weisungen der Anleger für die vorgesehenen Spekulationsgeschäfte einzusetzen hatte, und
  • das Rechtsverhältnis als gesellschaftsvertragliches einzuordnen ist, insbesondere weil ein gemeinsam zu verfolgender Zweck (mittelfristiges Erreichen eines substantiellen Kapitalzuwachses durch Handel an den internationalen Interbankdevisen- und Finanzterminmärkten) vereinbart ist. Der Annahme eines stillen Gesellschaftsverhältnisses steht auch nicht eine Kündigungsmöglichkeiten der Anleger (erstmals zweieinhalb Jahre nach Handelsbeginn, anschließend halbjährlich) entgegen.

2. Zur Rechtsnatur und zur Abgrenzung von Genussrechten und stiller Gesellschaft.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 4, 7; HGB § 230 Abs. 1, §§ 231, 234, 233

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.04.2008; Aktenzeichen VIII R 3/05)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen.

Die Kläger wurden zusammen zur Einkommensteuer 1998 veranlagt. Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 14. Juli 2000 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nach einer Kontrollmitteilung beteiligte sich die Klägerin zu 2) an dem Kapitalanlagemodell Global Futures Fund I Limited – im folgenden Fondsgesellschaft –, aufgrund des Begebungsvertrages vom 20. Dezember 1993 mit einem Zeichnungsbetrag von 20.000 DM. Die Zeichnung erfolgte auf Vermittlung der Via Vertriebsgesellschaft für Investment- und Immobilienfondanlagen mbH. Die Beteiligungsanteile an der Fondsgesellschaft werden von der Gesellschaft als Genussrechte bezeichnet. Über die Beteiligungsrechte wird von der Fondsgesellschaft ein Genussschein ausgestellt. Nach dem Zeichnungsschein für Genussrechte wird Gegenstand der von der Fondsgesellschaft herausgegebene Prospekt vom 31. August 1993. Nach diesem Prospekt (S. 2) werden die von der Fondsgesellschaft so bezeichneten Genussrechte in Übereinstimmung mit den in diesem Prospekt aufgeführten Angaben und Ausführungen angeboten. Bei der Fondsgesellschaft handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Hamilton, Bermuda, die das ihr im Rahmen der Genussrechtszeichnung zur Verfügung gestellte Kapital für Rechnung der Genussrechtsinhaber in sog. Futures-Geschäfte investiert. Die Fondsgesellschaft ist als Anlage Holding-Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Bermuda eingetragen. Inhaber der Stammaktien der Fondsgesellschaft waren zu 49 % die Man Holdings Ltd., eine auf den Bermudas ansässige Tochtergesellschaft der ED & F Man International Ltd. – inzwischen firmierend als Man Financial Ltd. –, London, und zu 51 % die Albany Management und Company, die ebenfalls auf den Bermudas registriert war. Zur Kapitalbeschaffung hatte die Fondsgesellschaft Genussrechte im Gesamtnominalbetrag von mehreren Millionen Deutsche Mark ausgegeben. Die Zeichnungsperiode begann am 1. Oktober 1993 und endete am 30. Dezember 1993. Die Laufzeit der Beteiligungsrechte war befristet auf den 30. November 2001. Den Genussrechtsinhabern wurde das Recht eingeräumt, das Genussrechtsverhältnis durch Kündigung zu bestimmten Zeitpunkten, erstmals zum 1. Juli 1996, zu beenden. Die für den Fall der Kündigung vereinbarte Rückgabegebühr hing von der Laufzeit des Vertragsverhältnisses ab und nahm mit zunehmender Vertragsdauer ab. Der Begebungsvertrag – konstituiert durch den Prospekt und den auf diesen verweisenden Zeichnungsschein – sieht eine Garantie der Rückzahlung des Genussrechtskapitals zum 30. November 2001 vor. Die Futures-Geschäfte werden nicht von der Fondsgesellschaft selbst, sondern von einer zu diesem Zweck von ihr errichteten 100 %igen Tochtergesellschaft – die Global Futures I Trading Ltd. – mit beschränkter Haftung durchgeführt. Dadurch sollte – entsprechend den Angaben im Prospekt – das Risiko der Insolvenz der Fondsgesellschaft minimiert werden. Weiter sollte nach den Bestimmungen des Begebungsvertrags ein Teil des von Genussrechtsinhabern hingegebenen Geldes (ca. 60 %) in Finanzanlagen investiert werden, die bei der Barclays Bank PLC (Isle of Man) auf einem Sicherungsdepot zu hinterlegen waren. Im Hin...

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