Leitsatz

1. Geändert i.S.d. § 61 Abs. 3 Satz 1 AO ist die Bestimmung über die Vermögensbindung in der Satzung einer GmbH oder eines eingetragenen Vereins erst dann, wenn das Änderungsverfahren durch die Eintragung der Satzungsänderung im Handels- bzw. Vereinsregister abgeschlossen ist.

2. § 61 Abs. 3 Satz 2 AO schließt die Anwendung der Vorschriften über die Festsetzungsverjährung nicht aus.

 

Normenkette

§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AO , § 61 Abs. 3 AO , § 175 Abs. 1 Satz 2 AO

 

Sachverhalt

Klägerin war eine gemeinnützige GmbH, deren Gesellschafter am 16.12.1992 beschlossen, den bisherigen Passus im Gesellschaftsvertrag über die Verwendung des Gesellschaftsvermögens für steuerbegünstigte Zwecke im Fall der Auflösung der Gesellschaft zu streichen. Die Neufassung wurde am 2.2.1993 in das Handelsregister eingetragen. Das FA sah die Satzungserfordernisse gem. § 55 Abs. 1 Nr. 4, § 61 Abs. 1 AO als nicht mehr erfüllt an und veranlagte die GmbH rückwirkend für 1987 bis 1990. Die GmbH berief sich auf Festsetzungsverjährung.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH zu Unrecht. Die Regelungen über die Verjährung seien uneingeschränkt anzuwenden, der Fristlauf beginne mit der Eintragung in das Handelsregister. Folglich stehe den Veranlagungen nichts im Weg.

 

Hinweis

Die Entscheidung ist wichtig, wenn Sie es mit einer gemeinnützigen Körperschaft zu tun haben.

1. Die Gemeinnützigkeit wird (vom materiell-rechtlichen) Grundsatz der Vermögensbindung gekennzeichnet: Diese Bindung ist letztlich unverzichtbar! Bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Zweckwegfall darf das bisherige Vermögen der Körperschaft nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO).

Diese Vermögensbindung muss sich ganz konkret und nachprüfbar aus der Satzung ergeben (Grundsatz der formellen satzungsmäßigen Vermögensbindung, § 61 Abs. 1 AO). Etwaige schädliche Änderungen der Satzung wirken sich aber nicht nur für die Zukunft aus: Die Satzung gilt vielmehr gem. § 61 Abs. 3 Satz 1 AO von Anfang an als steuerlich nicht ausreichend. Deckt das FA die Änderung auf, dann nützt es gemeinhin nichts, wenn seitdem Jahre verstrichen sind: Die Körperschaft muss vielmehr mit dem rückwirkenden Wegfall der Gemeinnützigkeit rechnen. Den verfahrensrechtlichen "Hebel" dazu bietet § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

2. Allerdings gibt es hierfür zeitliche Beschränkungen. Es ist dies zum einen die Beschränkung auf jene Steuern, die innerhalb der letzten 10 Kalenderjahre vor der Satzungsänderung entstanden sind (§ 61 Abs. 3 Satz 2 AO). Es ist dies zum anderen der Ablauf der Festsetzungsfristen, die als solche uneingeschränkt anwendbar bleiben.

Fristbeginn ist dabei jener Zeitpunkt, in dem die Satzungsänderung im einschlägigen Handels- oder Vereinsregister eingetragen wird. Als konstitutiver Rechtsakt ist dies der auslösende Zeitpunkt. Weder durch die Registeranmeldung noch durch den entsprechenden Änderungsbeschluss lässt sich dieser Zeitpunkt verschieben. Irgendwelche Möglichkeiten, den Fristlauf zu beeinflussen, bestehen insoweit nicht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 25.4.2001, I R 22/00

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