Entscheidungsstichwort (Thema)

Assoziierungsabkommen EG/Türkei, Einfuhr von Fernsehgeräten, Nacherhebung der Zölle

 

Leitsatz (amtlich)

1. Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet, ist dahin auszulegen, dass

- für die Beurteilung der Frage, ob ein Irrtum der zuständigen Behörden vorliegt, sowohl das Verhalten der Zollbehörden, die die für die Anwendung der Präferenzregelung erforderliche Beweisurkunde ausgestellt haben, als auch das Verhalten der zentralen Zollbehörden zu berücksichtigen ist,

- ein Anhaltspunkt für einen solchen Irrtum darin besteht, dass die Behörden des Ausfuhrstaats die für die Anwendung einer Präferenzregelung im Rahmen einer Assoziierungsregelung erforderlichen Urkunden regelmäßig ausgestellt haben, obwohl ihnen bekannt sein musste, dass im Ausfuhrstaat eine Politik zur Förderung von Ausfuhren betrieben wurde, die die abgabenfreie Einfuhr von Bestandteilen aus Drittländern zum Zweck ihres Einbaus in Waren für die Ausfuhr in die Gemeinschaft einschloss, und dass es im Ausfuhrstaat keine Vorschriften für die Erhebung der Ausgleichsabgabe gab, die Voraussetzung für die Präferenzbehandlung der Ausfuhr der auf diese Weise hergestellten Waren in die Gemeinschaft war, und

- als Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Irrtum für den Abgabenschuldner praktisch nicht erkennbar war, dienen kann, dass ein Teil der anwendbaren Bestimmungen der Assoziierungsregelung nicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht war und diese Bestimmungen im Ausfuhrstaat mehr als zwanzig Jahre lang nicht oder nur unzulänglich durchgeführt wurden.

2. Das Verhalten der Behörden des Ausfuhrstaats hat keinen Einfluss auf die Bestimmung des Zollschuldners und auf die Möglichkeit für die Behörden des Einfuhrstaats zur nachträglichen Eintreibung dieser Schuld.

3. Die Artikel 22 und 25 des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei verpflichten die nationalen Zollbehörden eines Mitgliedstaats, die auf Empfehlung der Kommission handeln, nicht dazu, das Verfahren durchzuführen, das diese Bestimmungen vor einer Nacherhebung der Einfuhrabgaben vorsehen.

 

Normenkette

EWGV 1697/79 Art. 5 Abs. 2

 

Beteiligte

Ilumitrónica

Ilumitrónica - Iluminação e Electrónica, Lda

Chefe da Divisão de Procedimentos Aduaneiros e Fiscais/Direcção das Alfândegas de Lisboa

Ministério Público

 

Verfahrensgang

Tribunal Tributário de Primeira Instância de Lisboa (Portugal)

 

Tatbestand

Assoziierungsabkommen EWG-Türkei - Einfuhr von Fernsehgeräten mit Ursprung in der Türkei - Bestimmung des Zollschuldners - Nacherhebung der Zölle

In der Rechtssache C-251/00

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunal Tributário de Primeira Instância Lissabon (Portugal) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Ilumitrónica - Iluminação e Electrónica Lda

gegen

Chefe da Divisão de Procedimentos Aduaneiros e Fiscais/Direcção das Alfândegas de Lisboa,

Beteiligter:

Ministério Público

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) und über die Gültigkeit einer Entscheidung der Kommission

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet sowie der Richter C. W. A. Timmermans, A. La Pergola, P. Jann (Berichterstatter) und S. von Bahr,

Generalanwalt: J. Mischo

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes als Bevollmächtigten,

- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Vasak als Bevollmächtigte,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Caeiros und R. Tricot als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Ilumitrónica - Iluminação e Electrónica Lda, vertreten durch J. Teixeira Alves, advogado, und der Kommission, vertreten durch A. Caeiros und R. Tricot, in der Sitzung vom 8. November 2001,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Januar 2002,

folgendes

Urteil

1.

Das Tribunal Tributário de Primeira Instância Lissabon hat mit Beschluss vom 13. März 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juni 2000, gemäß Artikel 234 EG fünf Fragen nach der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1; im Folgenden: Zollkodex) und der Gültigkeit einer Entscheidung der Kommission zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Fragen stellen sich in eine...

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