Leitsatz

Die Ableistung von Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeiten in einer Einrichtung des Arbeitgebers ist eine Tätigkeit i.S. des § 9 Abs. 4 EStG.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2, Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist in A als Feuerwehrmann angestellt. Im Streitjahr (2016) war er an 112 Tagen in der Feuerwache B eingesetzt. In seiner ESt-Erklärung machte der Kläger Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen geltend. Das FA setzte hingegen nur die Entfernungspauschale an. Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das FG statt (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.11.2019, 6 K 1475/18, Haufe-Index 13595761, EFG 2020, 269).

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

 

Hinweis

1. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG, ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von (im Streitjahr) 0,30 EUR anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG).

2. Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten und damit hier unstreitig die Feuerwache in B, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.

3. Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Einer gesonderten Zuordnung für einkommensteuerliche Zwecke bedarf es nicht.

4. Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.

5. Ob im Einzelfall eine dauerhafte Zuordnung vorliegt, ist grundsätzlich Tatfrage und als solche vom FG zu beurteilen. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat. Fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare Ableitung dieser Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen, liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, der als Fehler der Rechtsanwendung ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann.

6. Das FG hat eine (dauerhafte) Zuordnung des Klägers zur Feuerwache B allein mit der Begründung verneint, der Kläger sei nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, nach entsprechender Einzelanweisung seinen Dienst an vier verschiedenen Einsatzstellen zu leisten. Darin wird als Beschäftigungsdienststelle/-ort allgemein auf verschiedene Standorte, u.a. die Feuerwache B, hingewiesen, an denen der Kläger eingesetzt werden kann. Aufgrund dieser arbeitsvertraglichen Regelung mag der Kläger – wie das FG meint – zum Dienst an verschiedenen ortsfesten betrieblichen Einrichtungen des Arbeitsgebers verpflichtet sein. Ob der Arbeitgeber den Kläger einer dieser betrieblichen Einrichtungen tatsächlich zugeordnet hat, lässt sich dieser Bestimmung hingegen nicht entnehmen. Sie rechtfertigt auch nicht den vom FG gezogenen (Umkehr-)Schluss, der Kläger sei keiner dieser betrieblichen Einrichtungen zugeordnet worden. Denn allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer auf Weisung seines Arbeitgebers in unterschiedlichen betrieblichen Einrichtungen tätig werden soll, steht seiner Zuordnung zu einer dieser betrieblichen Einrichtungen durch den Arbeitgeber nicht entgegen.

7. Da die Feststellungen des FG dessen Würdigung, es fehle an der dauerhaften Zuordnung des Klägers zur Feuerwache B, nicht tragen, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

a) Das FG wird im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, ob der Kläger aus der Sicht ex ante B im Streitjahr zugeordnet war, und sodann, ob es sich in diesem Fall um eine dauerhafte Zuordnung handelte.

b) Dabei hat das FG zu berücksichtigen, dass die vom Kläger vorgelegten Dienstpläne allenfalls indiziell für die Annahme einer dauerhaften Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers herangezogen werden können. Ebenso wenig kann im Streitfall ohne Weiteres auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats zurückgegriffen werden, wonach es regelmäßig der Lebenswirklichkeit entspricht, dass der Ar...

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